Startseite | Menü einblenden | Übersicht: Sonntagsbriefe | 18.09.77 | 02.10.77 |
Meine lieben Brüder und Schwestern!
Zur dritten Stille nun!
"Herr, ich danke Dir! Der heilige Paulus sagt: 'Wir tragen unseren Schatz in irdenen Gefäßen.' Jahrelang habe ich mich gerieben, wund gescheuert an dem irdenen Gefäß des Alltäglichen und Oberflächlichen. Es schien mir alles so fad und leer, kein Weg schien zu führen' aus dem Außen ins Innen. Nun habe ich erfahren, daß das Wort des Paulus umgekehrt betont werden muß und darf: 'In irdenen Gefäßen tragen wir einen großen, göttlichen Schatz!' Nun lenkt das irdene Gefäß mich nicht mehr ab – im Gegenteil: alle Jagd und Hetze des Tages, aller Ärger, Sorge und Not erinnert mich an meine Macht, wie Du das Kreuz zu tragen zum Heile der Welt. Du hast MICH an den Platz gestellt und folglich ist durch MICH alles, was ich schaffe und ertrage, von Deiner Macht erfüllt und Quelle der lebendigen Wasser Deines Geistes! Und alle, denen ich begegne am Tage, den Du mir geschenkt, sind, ohne es zu wissen, eingespannt in die Bedeutung göttlichen Tuns.
Nun laß mich heute wissen, was ich wirke, wie in dieser Erdenzeit zum Heile der Menschen mein Einsatz sich fügt? Wie kann ich es erfahren?"
Und nun schau rings umher im Geiste: Menschen allüberall tragen schreckliche Qual und Not, verzweifeln in Hunger und Einsamkeit, werden unterdrückt und ihrer Würde beraubt, freie Entscheidung, ihr eigenes Dasein zu formen, ist ihnen versagt. Irgendwo mag einer sich aufrichten, erfrischt von heller Erkenntnis – irgendwo fällt es einem wie Schuppen von den Augen, daß er um Sinn und Zukunft wieder weiß: DU hast es gewirkt!
Durch welchen besonderen Einsatz? Durch welch besonderes Tun? Durch gar nichts Besonderes. Du hast getan, was Millionen tun, Du hast die Forderung der Stunde erfüllt und getreulich getan, was hier und jetzt Dein Auftrag ist, hast geschrieben, geputzt, genäht oder was auch immer geboten war – aber Du hast es in IHM getan, bewußt und froh, mit unbedingtem Willen. DU hast es getan als der, der DU bist: DEIN ICH!
Und nun schau weiter und ermesse die Not! Ich meine die allgemeine Not! Der Völker Not – den Verlust der Werte, jeglicher Kultur, jeglicher Gesittung. Junge Menschen in verheißungsvoller Kraft stellen sich dar, die Unschuldigsten, denn noch ist Hoffnung. Doch diese Hoffnung wird vertan – durch die Vielen, welche in der Masse gedankenloser Toren Meinung machen. "Wie Schafe ohne Hirten" verlaufen sich die Allermeisten in inhaltsloses Vegetieren, in geistlose Üblichkeiten, in stumpfes Familienleben ohne Bezug auf Kür und Sende! Mit scheinkluger und intellektueller Gebärde wird den Vielen anspruchsloseste "Lebensweisheit" eingeimpft, die weiter nichts besagt als dies: "Frieden ist besser als Krieg, Wohlstand besser als Armut." Mit diesem Armensüppchen des Geistes nährt man die unmündig gewordene Menge, vom Akademiker angefangen bis zum Steinklopfer. Und alle nicken in ihrer – von Verstandesdenken zugedeckten – Geistesfinsternis: IA!
Mitten in dieser von äußersten Katastrophen totaler Unterdrückung bedrohten Finsternis hast DU die Macht, daß Wende geschehe! Jawohl – Du als Einzelner. Der Einzelne ist alles. DU bist alles!
Ist es nicht herrlich? Und noch zwei Dinge bedenke in dieser Stille:
1.) das erlösende Wissen, das Du nun erworben, wecke regelmäßig in kurzen Besinnungen wieder auf! Wie dem Sitzenden empfohlen wird, gelegentlich in Freiübungen den einseitig belasteten Körper zu mobilisieren, so gehe Du, wann es sich ergibt, in eine kurze Stille: "Jesus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!" – "Herr, Deine Macht – Meine Macht!" – "In ALLEM DU – MEIN ALLES – MEIN ICH!"
2.) Es ist nie zu spät! Die letzten Minuten Deines Lebens können, wenn DU es willst, alle vergeudeten Jahre erheben zu ewiger Gültigkeit, und seiest Du neunzig oder hundert Jahre alt! Beginne!
In diesem vermehrten Wissen plane nun die vierte Stille!
Es grüßt Euch alle von Herzen Euer Pfarrer Hans Milch.