Startseite Menü einblenden Übersicht: Sonntagsbriefe 21.01.79 25.02.79 Drucken
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Beispiel:

Ein Junge war sehr böse. Ohne Essen muß er ins Bett. Die Eltern schauen ihn nicht an. Der Gute-Nacht-Kuß fällt flach. Außerdem bekommt er 4 Wochen Hausarrest. Mit Weggehen, um mit Kameraden zu spielen, ist es vorerst aus. – Tags darauf nimmt die Mutter den reuigen Sünder wieder in die Arme und sagt: 'Zwischen uns ist alles wieder gut. Aber die Strafe mußt du abbüßen. Am Hausarrest kommst du nicht vorbei!' Vier Tage später erlassen die mitleidigen Eltern noch den Rest von 24 Tagen.

Also: Am Tag nach der bösen Tat kam die Vergebung der Sünde, die Versöhnung, die Wiedervereinigung der Herzen. – Vier Tage später kam der Ablaß, die Nachlassung der Sündenstrafe. So etwa, sagt man, müsse man auch in den Beziehungen zu Gott den Unterschied sehen zwischen Sündenvergebung und Ablaß:

"In der Vergebung nimmt uns Gott wieder in Seine Arme, vereint uns mit Sich und schenkt uns neu bzw. vermehrt das Licht des göttlichen Lebens, den Anteil an Seiner Natur. Im Ablaß befreit Er uns von der Abbüßung der fälligen Sündenstrafen."

Mit dem ersten stimmt es genau: die Vergebung heißt Wiederhineinnahme in Gott durch Christus.

Aber was ist es mit den "Sündenstrafen?"

Bestraft Gott die Menschen wegen böser Tat? Schickt Er Leiden? Nein! Gott kennt keinen Zorn und keine Rache. "Gott ist Licht, und in Ihm ist keine Finsternis."

Ist damit gesagt, daß wir ungestraft mit Gott nach Laune und Willkür verfahren dürfen?

Keineswegs.

Ist Er nicht der "liebevolle Vater, der Seine Kinder züchtigt"? Auch dies kann nur im übertragenen Sinne verstanden werden, so sehr es richtig ist, daß zur wahren Liebe auch das Hart-sein-können gehört. Nur müssen wir von Gott unendlich größer denken.

Seine Liebe – und Er ist die Liebe – flammt. Gott ist Feuersbrunst. Und es ist furchtbar gefährlich, Sein Angebot der Freundschaft unbeachtet zu lassen.

Wieso?

Weil Er unseren freien Willen absolut ernst nimmt. Wie wir wollen, so soll es geschehen. Wer sein Hauptverlangen aufs Irdische richtet und in seinen Gedanken und Wünschen bestimmt wird von dem, was dieser Welt gehört, begibt sich freiwillig unter das Gesetz der Welt, die sich ohne Gott begreift. Diese Welt, sich selbst überlassen durch Adams Entscheidung, ist preisgegeben dem Nichts, aus dem sie erschaffen. Satan hat sich durch seine Verführung diese Welt so bereitet: blind und sinnlos waltet das Weh! Not, ungerechtes Los, Krankheit, Tod, Zerfall, Zerstörung sind die selbstgewählten Gefährten der Welt auf ihrem selbstgewählten Weg. Denn was mit Gott nicht eins ist, verfällt eben dadurch dem Nichts. Satan – Anwalt des Nichts – regiert die Welt, die sich im Wahne eigengeborenen Rechtes und Wertes wiegt. In dem Maße, wie wir der Welt Gesetz wollen und gähnend an Gott vorbeigehen, sind wir dem sinnlosen Geflecht blinden Zufalls ausgeliefert.

Dafür wird sinnbildlich das Wort verwendet "Strafe Gottes" oder "Zorn Gottes". In Wirklichkeit ist es das "Außerhalb Gottes", "Nicht-Gott", von uns gewählt: "Draußen ist's fürchterlich!" –

Also –

Vergebung der Sünden heißt: in dem, was wir sind, im Sein, sind wir von Gott in Gott hineingeholt, drinnen, mit Ihm vereint.

Das heißt aber noch nicht, daß unser Geist entschlossen ist, das Dasein, Leid und Arbeit, Freude, Wort und Gedanke, hineinnehmen zu lassen in IHN. Allzu außergöttlich können noch angelegt sein Sehnsucht und Wille und darum unser Dasein verflochten im Gesetz der Sinnlosigkeit, das draußen waltet.

Ablaß heißt: Das Dasein wird aus den Verstrickungen gelöst, die es durch irdisches Denken und Wollen gewählt hat. Unverdient, unserer eigenen Willensneigung nicht achtend, entzieht uns Christus kraft Seines Liebesleidens der Sphäre, in die wir selbst uns begeben, und macht die Bahn frei zum Einstieg unseres Willens und Daseins in eben dieses Liebesleiden. Folge: "Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge – Leiden und alles – zum Besten!" Für sie und alle: "Wer an mich glaubt, aus dessen Innern werden Ströme lebendigen Wassers fließen!" – Der Zufall hört auf. Der Sinn beginnt! –

 

Von Herzen – Euer Pfarrer Hans Milch.