Startseite Menü einblenden Übersicht: Sonntagsbriefe 29.04.79 23.09.79 Drucken
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Warum ist Maria mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des innerdreifaltigen Liebes-Webens aufgenommen worden?

Weil sie sich dem Angebot des einzigen Gottes geöffnet und mit der Freiheit ihres Geistes preisgegeben hat – ganz und ungeteilt.

Daraus ersehen wir, weshalb es uns gibt. Wir sind da, um uns hinzugeben dem ewigen Gott. ER hat die Welt erschaffen und im Menschen alle Geschöpfe vereint, daß sie durch den Mund des Menschen ihre Sprache finden, ihren Namen und ihre Deutung erhalten, ihr Antlitz und ihren Zusammenhang. "Die ganze Schöpfung seufzt und liegt in Wehen nach der Offenbarung der Gottes-Söhne und Gottes-Töchter". Alles Erschaffene drängt zum Menschen, um von ihm geleitet, bestätigt und geliebt zu werden.

Die Aufgipfelung des Menschen aber ereignet sich in Maria. In ihr ist alles im Sinne des Schöpfers Menschen-Mögliche, sind alle denkbaren menschlichen Wesenseigenschaften zusammengefaßt. In ihrem freien Ja-Wort zum Angebot des Gottmenschen erfüllt sich in absoluter Vollendung der Sinn des Menschenlebens.

Durch diese Sinn-Erfüllung ward ihr als Antwort des Allerhöchsten zuteil die Ziel-Erfüllung. Sie besteht darin, daß alles zusammenkommt und sich wiederfindet im Menschen, dessen Geist alle Dinge sammelt und lenkt, und zwar durch die Kraft, die ihm zuteil wird in Gott, von Gott. Das Sammeln und Lenken der geschaffenen Wesen geschieht nicht durch Ausbeutung und Unterdrückung. Wer seinen untergeistigen Trieben verfallen ist, wird Sklave seiner Wünsche.

Wer die Elemente der geschaffenen Welt seinen Wünschen unterordnet, vergewaltigt die Erde und sich selbst. Er beutet aus und wird ausgebeutet von dem, was er ausbeutet. Was wir erfahren seit dem Einbruch der modernen Technik in die Erdmenschheit, ist das rasante Anschwellen einer geistfremden und den Geist verratenden Vergewaltigung der Erde durch den Menschen und des Menschen durch die in ihrem Sinn und Wesen verkannte Erde.

Untertan machen kann ich im Sinne des Schöpfers die Welt nur dadurch, daß ich mich liebend und sinnend in ihr Wesen und in das Wesen aller Dinge hineinversetze und hineinversenke, um allen zu dienen, um zu handeln, wie es dem wahren Sein aller Dinge entspricht. Dann wird die Erde zu einer vom führenden Menschengeist gewirkten Offenbarung des ihr zugrundeliegenden Wesens und eben damit des Gottesgedankens.

In Maria ist dies vollendet.

In ihr sehen wir wie im Spiegel unser Daseins-Ziel.

Sie ist die zweite Eva, die mütterliche Braut des 2. Adam.

Sie ist der fleischgewordene Ur-Gedanke Gottes von der ganzen Schöpfung, die Weisheit, aller Dinge Wesen. An ihr und in ihr erkennen wir, daß alles aufeinander bezogen ist und alles zusammenkommt, wenn jedes und jeder Einzelne seinem Wesen nach sich entfaltet und sich gestalten läßt.

Mit der Ur-Verweigerung durch den 1. Adam und die 1. Eva ist die Welt von Gott getrennt worden, und infolgedessen ist die Welt in sich selbst un-eins geworden, zerrissen und zerfallen: Seele trennt sich vom Leib, alle Sphären der Schöpfung gehen auseinander. Ungesegnet der Mensch von Gott, ungesegnet die Tiere und Pflanzen vom Menschen.

In Maria ist die Einheit wiedergefunden worden.

In ihr ist die Ur-Sehnsucht der ganzen Welt zur erfüllungsträchtigen Hoffnung geworden: "Mir geschehe nach Deinem Wort!" Im Geheimnis ihrer leib-seelischen Aufnahme in den Himmel schauen und begrüßen wir, was ihr geschehen ist nach Seinem Wort! –

Die Verkündigung des Dogmas am 1. November 1950 ist der Appell und die Chance für die Menschen, sich völlig neu auszurichten, im Geiste zu ordnen und zu messen. – Es wird höchste Zeit! –

 

Es grüßt Euch alle von Herzen  Euer Pfarrer Hans Milch.