Liberalismus

Der heute tief im Denken der Menschen verwurzelte Liberalismus propagiert eine freigeistige Weltauffassung, die jegliche "Bevormundung" des Individuums ablehnt. Im Prinzip des "Geltenlassens" wird jedwede philosophische oder theologische Ansicht als gleichberechtigter Bestandteil einer Gesamtwahrheit geduldet – solange sie das eine Dogma des Liberalismus nicht infrage stellt: Es darf nicht der Anspruch erhoben werden, verbindlich für die Allgemeinheit sprechen zu wollen – da dies die "Freiheit" der Anderen durch Vorschriften einengen könnte.

Unter diesem liberalen Mantel präsentiert sich dem Einzelnen eine schillernde Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander stehender Weltanschauungen – eine allgemeine Unverbindlichkeit ohne feste Werte, der er orientierungslos ausgeliefert ist.

"Denn wenn ich dem Einzelnen sage: 'Du hast dich überhaupt an keine vorgegebene Autorität zu binden, sondern du bist allein imstande kritisch vorzugehen', dann versetze ich den Einzelnen in die Zwangslage, sich einer Herde anzuschließen. Sage mal einem, er sei völlig befreit, jeder autoritäre Anspruch sei ein Anspruch der Unterdrückung, deshalb müsse er sich von allem Vorgegebenen und auch von aller Tradition lösen. Was macht er? – Er zappelt in der Luft. Er wird ins Nichts hineingehalten. Also kreischt und schreit er flennend nach rechts und links, vorne und hinten, er braucht also die Herde.
Wenn ich einen Menschen unterdrücken will, brauche ich ihm nur zu sagen, er sei vollkommen frei. Dann habe ich ihn schon in meinen Fängen. Das ist die teuflische Unternehmung im Zeichen der 'Theologie der Befreiung'."

Das Reduzieren der Welt auf die nackten Tatsachen

Dieser Hilflosigkeit begegnen die meisten Menschen, indem sie die Beschäftigung mit den wesentlichen Fragen des Lebens meiden. Sie betrachten alles, was nicht sichtbar oder meßbar ist, als nicht vorhanden und halten ihre Existenz und die Welt, in der sie leben, für das Ergebnis einer Reihe von Zufällen.

"Wer von unten denkt, der sieht nur die berühmten 'nackten Tatsachen'. Die meisten Menschen, die Wissenschaftler unserer Tage, gehen von dem Dogma aus: 'Es ist halt da'. Was es ist, warum es ist, was es bedeutet, was es aussagt, darüber wissen sie nichts und wollen sie vor allem nichts wissen. Sie meinen zu wissen, wo sie doch nichts wissen. Und sie wissen nichts, weil sie nicht wissen, daß sie nichts wissen."

Vor ihrer auf diese Weise selbstgeschaffenen Nichtigkeit fliehen die modernen Menschen zu Ersatzgöttern wie Geld, Freizeitvergnügen, Sport oder Gesundheitswahn.

Bei der Ablenkung von den eigentlichen Dingen sind ihnen die von Meinungsmachern gesteuerten Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, nur zu gerne behilflich. Sie gaukeln nicht nur die Illusion einer Welt vor, die alle ihre Probleme aus eigener Kraft überwinden kann und auf dem Weg in eine bessere Zukunft ist. Sie bilden auch im zunehmenden Maße die "öffentliche Meinung", die vorgibt, welche Weltanschauungen, Handlungsweisen oder Standpunkte gutzuheißen, welche kritisch zu hinterfragen und welche zu verurteilen sind.

Der Einzelne wird so zu einem Konsumenten, der nicht mehr selbständig denkt, sondern "gedacht wird".

"Jeder hat heutzutage über alles Ansichten: Über Politik, Weltanschauung, über Religion, Biologie, Kirche, Wirtschaft, Kultur, Musik, Dichtung, Theater – jeder hat über alles seine 'Meinung'. Der Hitler hat das mit Uniformen gemacht, mit Litzen und mit Rangabzeichen, damit hat er das Selbstbewußtsein derer gestärkt, die keins haben – und so wird heute das Selbstbewußtsein der Leute dadurch gestärkt, daß man ihnen die Möglichkeit gibt, Ansichten zu äußern. Die sind natürlich auch danach; aber die Leute merken gar nicht, daß ihnen diese Ansichten schon vorher eingetrichtert worden sind – indem sie nämlich vor der Mattscheibe verblöden, lassen sie laufend manipulierte Ansichten in sich hineinrieseln. Sie reagieren darauf, indem sie sich diese Ansichten zu eigen machen – mit Stentorstimme."

Der liberale Ökumenismus

"Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen [anderen] Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet"
Nostra aetate, Nr. 2

Der liberalen Geisteshaltung entsprechend nimmt der liberale Ökumenismus die Tatsache, daß in den anderen Religionen auch Wahres enthalten ist, zum Anlaß, diese als gleichberechtigte Wege zu Gott anzusehen. Man bemüht sich ohne Unterlaß um einen freundschaftlichen "Dialog" mit Vertretern anderer Religionen und Weltanschauungen, auch wenn die Annäherung, z.B. mit dem Islam, in aller Regel sehr einseitig verläuft: Alle katholischen Glaubensaussagen, die den Dialog beeinträchtigen könnten, werden auf den kleinsten gemeinsamen Nenner eingedampft, der von allen anderen Beteiligten akzeptiert werden kann, bis schließlich nur noch von Glaubensinhalten gelöste, allgemeine moralische Verhaltensweisen verkündet werden.

"Was sich heute als 'Ökumenismus' darstellt, ist nichts anderes als organisierte Gleichgültigkeit gegenüber den von Gott geoffenbarten Inhalten, von Ernst und Ehrfurcht weit entfernte Übertünchung von Überzeugungsunterschieden und damit eine tiefe Mißachtung des Seine Fülle offenbarenden Gottes."

Wer aber dagegen wie die actio spes unica oder die Priesterbruderschaft St. Pius X. die katholische Glaubenswahrheit verteidigt, wird als Verletzer des liberalen Dogmas ganz im Widerspruch zur eigenen selbstdeklarierten "Toleranz" als "ewiggestriger" Störenfried auf dem Weg in einer bessere Zukunft bekämpft.

"Weil ich keinen Beitrag liefern will, sondern weil ich so unverschämt bin zu behaupten, allein dies ist die katholische Wahrheit, darum bin ich Unperson. Und wenn sie Gewalt und Macht hätten, würde durch die ach so toleranten und ach so humanen progressistischen Brüder der Scheiterhaufen fröhliche Urständ feiern."

Das pilgernde Gottesvolk – die Suche nach der Wahrheit

"Indem sie [die Kirche] dem ganzen Menschengeschlecht den Dienst des Evangeliums des Friedens leistet, pilgert sie in Hoffnung dem Ziel des ewigen Vaterlandes entgegen."
Unitatis redintegratio, Nr. 2

Unvereinbar mit dem Liberalismus ist der traditionelle universale Heilsanspruch der Kirche ("außerhalb der katholischen Kirche ist kein Heil", 4. Laterankonzil), welcher auf die klare Aussage Christi zurückgeht: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich" (Joh. 14:6).

Daher zeichnen die Konzilstexte das Bild einer Kirche, die noch auf dem Weg zum Reich des Vaters ist, die endgültige Wahrheit also noch nicht kennt und beständig nach ihr sucht. Dies eröffnet den Weg in die bequeme Unverbindlichkeit: Die Suche nach der Wahrheit wird zum eigentlichen Ziel, und man kann auch jede andere Weltanschauung als gültige Wegstation und Bereicherung dieser Pilgerschaft "gelten lassen".

"Sie sind nur auf der Suche, um ja nicht zu finden, um sich ja nicht binden zu müssen. Die mit teuflischer Gemeinheit behaupten, alles, was wir aussagen sei nur zeitgebunden, das sind präzise diejenigen, von denen der Herr sagt: 'Die Menschen aber hatten die Finsternis lieber als das Licht.' Sie wollen nicht erkennen, sie wollen nicht festgelegt werden, weil sie sich nicht binden wollen, weil sie lieber im Unverbindlichen, im Raume des Ungewissen, im Freigehege ihrer eigenen sinnlosen Wünsche sich tummeln wollen."
CD Pfarrer Hans Milch: Kernsätze des sogenannten Konzils  (Bestellnr.: 1987.KONZIL)
CD Pfarrer Hans Milch: Sind die Konzilstexte so harmlos?  (Bestellnr.: 1981.KONZILSTEXTE)
CD Pfarrer Hans Milch: Das Wesen der Hoffnung  (Bestellnr.: 1979.KATHOLISCH)
CD Pfarrer Hans Milch: Das Opfer des Neuen Bundes - Quelle unserer Heiligung  (Bestellnr.: 1982.OPFER)
CD Pfarrer Hans Milch: Predigt zum 9. Sonntag nach Pfingsten 1986  (Bestellnr.: ZYK.24)
TEXT Pfarrer Hans Milch: Predigt zum 1. Advent 1984
TEXT Pfarrer Hans Milch: Rundbrief vom 5. September 1983
TEXT Pfarrer Hans Milch: Sonntagsbrief vom 21. Januar 1979
=> fsspx.org: Fragen zum Ökumenismus  (web.archive.org/web/2003/www.fsspx.org/ger/kkk/oekumenismus.htm)
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