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12. Monatsbrief zum Evangelium
Schild der actio spes unica
 
Allerheiligen (1. November 2003): Mt. 5:1-12.

Erzbischof Lefebvre sagte einmal treffend, die Bergpredigt wäre "die zehn Gebote des Neuen Testamentes." Der Dekalog des Alten Testamentes ist ja nichts anderes als durch Offenbarung bestätigtes Naturrecht.

1. Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Das betrifft natürlich nicht – wie der abgedroschene Witz lautet – die Dummen, sondern, im Gegenteil, diejenigen, deren Demut und Intelligenz ausreicht zu erkennen, dass sie als Sünder die Hölle verdient hätten und daher alles was sie haben als grundloses Geschenk Gottes ansehen müssen. Diese Armut besteht nicht im materiellen Mangel, sondern im geistigen: sie wissen, sie haben Gott nichts zu bieten, sie sind eben ARME Sünder! Für die materielle Armut gilt dieser Spruch sicher nicht, wohl aber für die geistige Einstellung, über die sufficientia hinaus von Gott nichts zu erbitten. Die sufficientia, wie wir wissen, ist nicht die Genügsamkeit, sondern der Zustand, in dem man alles Nötige hat. Wer über seine Sünden entsetzt ist, den Himmel und alles auf Erden nur als unverdientes Geschenk sieht, der wird das Himmelreich haben.

2. Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen. Das lateinische mitis, das noch viele ähnliche Bedeutungen hat, bezieht sich hier auf diejenigen, die mit Andersdenkenden anständig umgehen. Das bezieht sich nicht auf die heute geübte Indifferenz, das Desinteresse oder gar eine Form des Liberalismus, sondern auf den zivilisierten und liebevollen Umgang mit allen Menschen, auch denen, die anders denken. Der Traditionalist, der dem Konzilskirchler nur Verachtung und Abweisung entgegenbringt, schadet nicht nur der Kausa, sondern entbehrt völlig dieser Seligkeit. Das Versprechen des Landbesitzes ist ein Hinweis auf das Buch Genesis und den Streit um die Landnahme zwischen Abraham und Lot. Abraham lässt Lot entscheiden, der sich für die Seite entscheidet, "die bewässert war, bevor der Herr Sodom und Gomorrha zerstörte" (13:10), während Abraham sich in Kanaan ansiedelte, was Gott bestätigt: "All das Land, das du erblickst, gebe ich dir und deinem Stamm für immer" (13:15). So wie Abraham sanftmütig und friedfertig war mit Lot und das Land erhielt, so werden die Sanftmütigen das verheissene Land besitzen.

3. Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Die Trauer, über die Christus spricht, ist nicht die der Begräbnisse, weit gefehlt! Der Verlust von Verwandten oder Freunden zieht nicht automatisch den Trost mit sich, im Gegenteil, wie oft tritt das Gegenteil ein, so mit der unversöhnlichen Gottesfeindschaft einer trauernden Witwe (Warum hast du ihn mir weggenommen?) oder dem grübelnden Versinken der enttäuschten Liebe in der Fremdenlegion. Die protestantische Unkultur, die den Teilnehmern an einem Begräbnis nicht nur die Trauerfarbe, sondern auch die Trauermiene, das Flüstern, das Weinen und die salbungsvollen Worte aufzwingt, ist nichts anderes als die Flucht vor der Erkenntnis der wahren Bedeutung dieser Seligkeit. Warum soll ich trauern, wenn ein lieber Freund mit den Sterbesakramenten und nach einem christlichen Leben zu Gott geht? Weil MIR jemand fehlt? Weil ICH etwas vermisse? Mors, ubi est stimulus tuus, Tod, wo ist dein Stachel? Die katholische Gelegenheit zur Trauer ist der Sündenfall und der Verlust des Gnadenlebens und über diese Trauer spricht Christus. Selig die, die wegen ihrer Sünden trauern, wegen ihrer Schwächen, sie werden getröstet werden durch den Tröster, den Heiligen Geist!

4. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, sie werden gesättigt werden. Die Gerechtigkeit ist der ständige und andauernde Wille, jedem das ihm zustehende Recht zu gewähren. Das hat sehr viel mit der Rechtschaffenheit zu tun (probitas) und der Integrität und der Unparteilichkeit. Kein Mensch kann die Wahrheit lieben und die Gerechtigkeit nicht, da aber Christus die Wahrheit ist, ist die iustitia daher ein notwendiger Bestandteil der Gottesliebe. Und die erhält der Gerechte im besonderen Masse.

5. Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Die Barmherzigkeit ist am besten geschildert in dem Gleichnis Christi mit dem Schuldner (Mt. 18:23-35), dem der Herr seine Schulden erlässt, worauf er alle Schulden eintreiben will. Der Herr übergibt ihn dem Gericht. Die Barmherzigkeit findet sich zuerst einmal in der Vergebung "siebendundsiebzig Mal" (Mt. 18:22) und dann im mitleidigen Helfen, in der Zuwendung zum Nächsten. "Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt. 25:40).

6. Selig die reinen Herzens, denn sie werden Gott schauen. Das reine Herz wird oft mit dem Gnadenstand verwechselt. Die Routinebeichte und -Kommunion ohne wirkliche Liebe belastet das Herz nur, wenn der Hochmut, die Selbstgerechtigkeit, das Ränkespiel, die Verachtung und der Tratsch weitergehen. Reinen Herzens ist das Kind, dass noch keine Ränke kennt. "Hütet euch, dass ihr keines dieser Kleinen verachtet! Ich sage euch: ihre Engeln in den Himmeln schauen immerfort das Antlitz meines Vaters, der in den Himmeln ist" Mt. 18:10). "Wenn ihr [...] nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr sicher nicht ins Himmelreich eingehen" (Mt. 18:3).

7. Selig die Friedensstifter, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. Pacificus ist nicht der Friedfertige, sondern der Friedensstifter, der, der Frieden macht, was, wie wir sehen werden, ohne die anderen Seligkeit, das heisst: Tugenden, nicht geht. Auch hier spricht Christus nicht vom Waffenstillstand, sondern vom eigentlichen Frieden: "Den Frieden hinterlasse ich euch. Meinen Frieden gebe ich euch, nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch" (Jo. 14:27). So wie der Sohn Gottes den wahren Frieden gibt, so ist der Friedensstifter ein Sohn Gottes.

8. Selig, die um der Gerechtigkeit Willen Verfolgung erleiden, denn ihrer ist das Himmelreich. Für diese Seligkeit ist wohl Erzbischof Lefebvre das beste Beispiel, denn er wurde nicht verfolgt, weil er sich etwas zuschulden hatten kommen lassen, oder weil er dem Papst unsympathisch gewesen wäre, sondern weil er es als eine Frage der Gerechtigkeit erkannte, das Priestertum zu retten, um den Gläubigen fürderhin ihr Recht auf die wahren Sakramente erhalten zu können. Selig war er auch, gemäss der, im Evangelium unmittelbar folgenden Erläuterung dieser Seligkeit: "Selig seid ihr, wenn sie euch verfluchen, euch verfolgen und alles Schlechte gegen euch sagen, indem sie wegen Mir lügen." Der Novus Ordo, dieser unkirchliche und in das Schisma führende Ritus musste eben gegen Christus verteidigt werden, und so musste der Erzbischof verleumdet werden.

Den Zusammenhang zwischen den Seligkeiten erkennt der heilige Bernhard von Clairvaux wunderbar: Die Armen im Geiste wissen, dass sie selbst schreckliche Sünder sind und so gehen sie auch liebevoller mit Andersdenkenden um, so trauern sie um ihrer Sünden willen, setzen sich schon aus dem Wiedergutmachungsgedanken für die Gerechtigkeit ein und üben aus Mitleid mit den anderen Sündern die Barmherzigkeit, womit sie erst zu einem reinen Herzen und dadurch zum Friedensstiften fähig werden. Darum ist ja die erste auch die Grundseligkeit. Wer sich für den Vertreter des strengsten und elitärsten Katholizismus hält, dem fehlt ja diese Einsicht der eigenen Erbärmlichkeit, deswegen fehlt ihm die Zerknirschung, welche die Eigenliebe verleidet, es fehlt ihm die Barmherzigkeit, die ihn von sich selbst wegbrächte, womit ihm das reine Herz fehlt und statt der Friedensstiftung nur noch – mangels Liebe – die Trennung und der Ausschluss der Andersdenkenden für das Weiterleben bleibt. HERR, SEI MIR ARMEM SÜNDER GNÄDIG!

Rev. DDr. Gregorius D. Hesse