Schild der actio spes unica
actio spes unica Pfarrer Milch St. Athanasius Bildungswerk Aktuell

Rundbrief vom 15. November 1972

Liebe Freunde!

 

Wer betet, erhebt sein Dasein in Gottes Macht. Die Maßstäbe ändern sich im Nu. Was die Welt verachtet, wird gewichtig und bedeutend. Vertane Chancen leben wieder auf. Die Vergangenheit mit ihren Schatten – in den Augen der Kinder dieser Erde vielleicht ein hoffnungsloser Abweg – wird zum Aufweg ins Licht. Im Gebet ist alle Hoffung begründet für des Menschen Zukunft. Wo das Gebet erlischt, wird höchste Leistung selbst zur Farce und gewaltiger Erfolg zum Nichts. Im Gebet wird noch der Untergang zum Siegeszeichen. Der Mensch ist groß durch sein Gebet. Die unmündige Kreatur seufzt nach dem Beter. Alles ist um des Gebetes willen da. Am Ende ohne Ende wird alles Gebet sein – vom Atem der ewigen Liebe durchströmt und geformt. –

Sie haben gelobt, täglich eine halbe Stunde zu beten für die Rettung der Kirche in unseren Landen – das heißt für die universale Wende, die den tödlichen Progressismus aus unserer Mitte entfernt, der Kirche ihre wesenhafte Gestalt zurückgibt und die Bahn einschlägt zur Entfaltung ihres wahren Seins. –

Wie kann man dreißig Minuten beten für ein einziges Anliegen? Es soll ja – nach äußerster Möglichkeit – eine ungeteilte halbe Stunde durchgängig gebetet werden. Voraussetzung ist Härte und Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst. Wer es noch nicht als eine Lust des Geistes erlebt, Gewaltherrscher zu sein über sich selbst, ist unfähig zur Erfüllung des Gelübdes. "Das Himmelreich leidet Gewalt – und nur die Gewalt gebrauchen, reißen es an sich!" –

Im folgenden einige Hinweise:

Fassen Sie den Entschluß, dreißig Minuten vor dem Angesichte Gottes zu verharren, ohne irgendeine nach außen gerichtete Tätigkeit, und dies mit dem Ziel, seine tod- und sündenüberwindende Macht in Anspruch zu nehmen für die große Wende in der Kirche. Es steht in Ihrem Belieben, welcher göttlichen Person Sie sich unmittelbar zuwenden. Sie können Ihr Gebet in Vereinigung mit der fürbittenden Macht Mariens an Christus richten oder mit Christus vereint an den Vater durch den Heiligen Geist oder auch direkt an den Heiligen Geist. Selbstverständlich ist es möglich, unter das beherrschende Thema des einen Gebetsanliegens "Rettung der Kirche in unseren Landen" auch andere Anliegen zu setzen. Es herrscht ja eine All-Einheit der Gebetsanliegen und Gebetswirksamkeiten im Sinne gegenseitiger Zuleitung und Ableitung – das heißt die verschiendensten Gebetsanliegen sind aufeinander bezogen, und die Erfüllung des einen Anliegens kommt der Erfüllung des anderen zugute. Im Reiche Gottes geht kein Opfer und keine Leistung auf Kosten irgendeiner anderen Wirkung – im Gegenteil. Eines vermehrt und verstärkt das andere. Nur sollte diese halbe Stunde der "spes unica" zusätzlich zum ohnehin geleisteten Gebetspensum gehalten werden. Sie sollte unter keinen Umständen die übrige Tageszeit von Gebeten leersaugen (im Sinne der Befriedigung: "Für heute habe ich genug gebetet!"). – Noch einmal also: jede Form halbstündigen Gebetes erfüllt das Gelübde, wenn die Absicht der Rettung und Wende davor steht. Auch das Gebet der stummen Hingabe in der selbstvergessenen Anschauung des Geliebten (Kontemplation). Sie können selber Texte formulieren oder ablesen, den Rosenkranz beten, auf andere Weise die ewigen Geheimnisse betrachten und erwägen, die Heilige Schrift lesen im Geiste des Gebetes und der liebenden Ehrfurcht als einen Brief, den Gott an Sie in jener Stunde richtet. Sie können in inständigem Flehen endlos das Jesus-Gebet wiederholen: "Jesus, Sohn Gottes, erbarme Dich über uns Sünder!", wie es im östlichen Mönchtum der Brauch ist – ein Gebet, in dem alle Geheimnisse der Erlösung enthalten sind und dessen Wiederholung die innige Erwägung (Meditation) des Gottmenschentums zu begleiten vermag. –

 

Noch zwei Bitten:

1. Wenn Sie, wie ich oben dargelegt, auch andere Anliegen (es können selbstverständlich private dazukommen) in dies Gebet einbauen und dem einen Ziele nutzbar machen, so wählen Sie mitunter auch die Kirche des Ostens, die gefesselte und geschundene Kirche in der Not und Unterdrückung; wählen Sie die Wiedervereinigung mit der griechischen und russischen Orthodoxie! In diesen Anliegen ist auch inhaltlich Rettung, Wende und Zukunft enthalten.

2. Bedenken Sie, daß der Teufel vor der "spes unica" einen wahren Horror hat. Sie ist ihm ein Greuel. Wundern Sie sich daher nicht über besondere Anfechtungen gerade in dieser Phase Ihres Einsatzes. Wenn Sie unbedingt durchhalten wollen, wird aber auch die Sorge und Hilfe des Vaters doppelt wirksam werden und Ihnen Tragekraft verleihen. Geben Sie nicht auf! Gott segne Sie! –

 

Von Herzen grüßt Sie Ihr

Hans Milch

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