Rundbrief vom 11. Dezember 1974
Liebe Freunde in der spes unica!
Von Herzen grüße ich Sie alle in dieser heiligen Adventszeit. Sie steht unter der Forderung: "Zwingen wir unsere Seele, daß sie atme!"
Es wird viel von Umweltverschmutzung und Luftverseuchung geredet, Unsere Atmungsorgane sind belastet und bedroht. Wieviel mehr gilt das von den Atmungsorganen unseres Geistes! Die meisten Menschen sind geistig längst erstickt, und – was das Schlimmste ist – die meisten Christen auch! Sie haben das Atmen vergessen. Was ist dieses geistige Atmen? Die heilige Schrift drückt es aus in unnachahmlicher Präzision, da sie vom Urbild christlichen Daseins sagt: "Maria aber bewahrte all diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen." Dieser wundervolle Satz ist bedeutsam in jeder Einzelheit. "Die Worte bewahren" heißt: sich ihrer bewußt bleiben; anders gesagt: sich wecken lassen vom Wort und nicht wieder einschlafen! "Sie bewahrte all diese Worte!" Das Wort, der menschgewordene Gott-Sohn, umfaßt die Fülle, und was von Ihm gesagt wird, ist in jedem Detail notwendig und wichtig. Will ich also das Wort, Christus, erkennen, muß ich alle Worte bewahren, die von Ihm gesagt werden. Anders ausgedrückt: zum Christsein gehört wesentlich das Katholische, wörtlich: das dem Ganzen Gemäße, die Fülle. Maria bewahrt die Fülle, sie läßt nichts aus, sie ist die Catholica, die Katholische schlechthin, weil sie ja, wie der heilige Cyrill von Alexandrien in Ephesus sprach, die Kirche ist. –
"Sie bewegte diese "Worte in ihrem Herzen". Das Herz ist die Mitte unseres Wesens, das Ich, das Eigentliche, Wurzel und Quell all unserer Lebensäußerungen, die Schaltstelle unseres Schicksals, das wir uns selbst bereiten mit Hinblick auf ewiges Heil oder ewiges Unheil. In dieser Seelenmitte denkt und entscheidet sich Maria. Sie plätschert nicht – wie leider die Allermeisten – an dieser Seelentiefe vorbei, sondern denkt und will von Innen her. Sie meint, was sie sagt und tut! Sie ist im Kleinsten wie im Größten sie selbst, völlig echt, das heißt: gottverbunden, gottwillig, aus ihrem Ursprung lebend, also rein, sündenlos! Die Worte, die sie von Gottes Heilstat vernimmt, in unser aller Namen vernimmt, nimmt sie – wiederum in unser aller Namen – in ihre Seinsmitte hinein und ist sich dieser Seinsmitte beständig hell bewußt. Sie denkt, erwägt, erforscht Gottes Worte und Taten in ihrem Herzen, Und das ist gleichbedeutend mit dem Gespräch der Liebe. Wenn ich höre, blicke ich im Geist auf den, der redet; bin angesprochen, bestätigt, gewollt. Indem ich höre, gehe ich darauf ein, sage ja. Und dies alles ist Gebet, Anschauung des Geistes, Meditation in einem: wahre Meditation, die auf die schicksalhaften Inhalte bezogen ist, und keine unverbindliche Übung!
Dies ist das Atmen der Seele! Und das Organ der Atmung: das betende Herz!
Liebe Brüder und Schwestern!
Vor unserem nächsten spes-unica-Sonntag am 2. Februar 1975 werden Sie den Prospekt vom "Heiligen Jahr der Hoffnung in Hattersheim" erhalten. –
Einstweilen wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest, die Fülle der Gnaden des kindgewordenen Gottes und einen leuchtenden Eingang in das Heilige Jahr 1975, das mitten in der wachsenden Nacht der Verirrung die Flammenzeichen der "einzigen Hoffnung" gegen alle Hoffnung, der spes unica, aufstecken möge!
Von Herzen –
Ihr Hans Milch
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