Rundbrief vom 5. September 1978
Liebe Freunde in der spes unica!
Aus akuten Gründen erhalten Sie von mir nach so kurzer Zeit wieder einen Rundbrief. In meinem letzten Schreiben – vom 9.8.1978 – hatte ich Sie vertraut gemacht mit meinem Appell an die Erzbischöfe und Bischöfe des deutschsprachigen Raumes.
Einige nahmen Anstoß an der Formulierung "Giovanni Battista Montini ist entschlafen."
Meine lieben Brüder und Schwestern! Nach altem Brauch wurde, wenn das Herz stille stand, mit einem silbernen Hämmerchen auf die Stirn des hingeschiedenen Stellvertreters Christi dreimal geklopft und dreimal gefragt: "Schläfst Du?" Dabei wurde er zum ersten Male wieder nach seiner Wahl zum obersten Hirten mit seinem bürgerlichen Namen angeredet: "Schläfst Du, Achilles Ratti (bei Papst Pius XI), Eugenio Pacelli (bei Papst Pius XII)?"
Mit dieser Anrede sollte die Unsterblichkeit des Petrusamtes bekräftigt werden: "Petrus stirbt nicht." Im Zeichen dieses Brauches und dieser Bedeutung schrieb ich: "Giovanni Battista Montini ist entschlafen." Darin liegt in der Tat keine Spur von Ehrfurchtslosigkeit – im Gegenteil.
Andere fanden es ärgerniserregend, anmaßend und hochmütig, daß ich zum Gebet aufforderte, "daß er gerettet werde!"
Meine Freunde! Mit je höherer Verantwortung der Herr mich einmal ausstatten sollte, desto brennender wünschte ich, daß dann viele, viele "Anmaßende" und "Hochmütige" sich einfinden werden, um, anstatt mich zu loben, nach allen Seiten die Aufforderung zu schreien: "Betet, daß er gerettet werde!!!" Wie betet die Kirche? "Laß ihn nicht den Strafen der Hölle verfallen!", und bei einem Papste: "Er möge mit Deinen heiligen Hohepriestern auch zur ewigen Gemeinschaft vereinigt werden!" Was dasselbe ist, denn, wenn er gerettet wird, geht er ein in die Vereinigung mit Seinen heiligen Hohepriestern; und wenn er in diese Vereinigung nicht eingehen sollte, so wäre das die Verdammung. – Dürfen wir nicht beten, was die Kirche betet? Wir setzen unser Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes und nicht in unsere Werke. Da wir schon unsere eigene Tiefe nicht kennen, wie wenig erst kennen wir die Tiefe eines anderen Menschen. Nackt und bloß werden mir dem Auge des ewigen Richters begegnen, der einzig weiß, wie es mit unserem guten oder bösen Willen steht. Dieser Ich-Kern, unsere wahre Entscheidungsquelle, der Sitz unserer Beweggründe, die Daseinsmitte wird gerichtet werden – aller Beiwerke ledig. Das meinte ich; als ich das 'er' gesperrt druckte beim Gebet, daß er gerettet werde!
Lassen Sie mich einige Sätze aus meinem Pfarrbrief zitieren, den ich aus Anlaß des Hinscheidens Papst Paul VI geschrieben hatte:
"Papst Paul VI ist entschlafen, Giovanni Battista Montini ist vor seinem ewigen Richter erschienen. – Es ist uns Stille geboten. Immer, wenn ein Träger des Petrus-Amtes vor den Thron des Höchsten hintritt, durchdringt ergriffenes Schweigen das All. Die Engel beten. Die Heiligen beten. – Wir beten. – Zu reden, Urteile zu fällen, einzuordnen, zu wiegen, zu wägen, zu messen, zu rechten, zu loben, zu tadeln, steht uns nicht zu. – 'Gott weiß', pflegte Bruder Klaus zu sagen. Wie können wir reden, wo nur ER weiß?! Wir wissen und kämpfen um die WAHRHEIT, die der GOTTMENSCH geoffenbart hat. Um Personen wissen wir nichts. Wir lieben – nicht indem wir loben oder tadeln, sondern indem wir beten, innig, inbrünstig beten: 'Herr, nimm ihn auf in Dein endloses Erbarmen!!!'" (Selbstverständlich hat das Gebet der Kirche um Rettung nach dem Hinscheiden eines Menschen rückwirkende Macht. Es wird uns Gnade zuteil auch der Gebete wegen, die für uns zum Vater emporsteigen werden. – Vom Leibe gelöst, ist sogleich unser ewiges Heil oder Unheil unwiderruflich besiegelt.) —
Einige haben mich gefragt, warum der Aufruf an die Erzbischöfe und Bischöfe in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und in der "Welt" erschienen ist und nicht der "Deutschen Tagespost". Antwort: Die Deutsche Tagespost hat sich geweigert, das Inserat aufzunehmen. —
Sie werden wissen, daß ich mich nie mit den subjektiven Qualitäten oder Nichtqualitäten eines Menschen, mit seinem guten oder bösen Willen beschäftige – von eklatanten Fällen hoher Verdienste abgesehen, wobei ich mich freilich auch vor letzten Urteilen hüte, erst recht vor vergleichenden persönlichen Bewertungen. "Was wir, der Not gehorchend, festzustellen haben, ist gegebenenfalls die objektive Rolle eines Schädlings oder Versagers im Gottesreich. Mit persönlichen Verurteilungen oder gar Haß haben solche notwendigen Feststellungen jedoch nicht das Geringste zu tun! Vergeuden wir unsere Zeit nicht mit dem, wovon wir nichts wissen können!
Wenn zum Beispiel von "Wühlmäusen", von "kribbelnden Pygmäen", von "Mediokritäten" gesprochen wird, so sind das weithin notwendige Rollenkennzeichnungen. Mit persönlicher Hetze haben solche Angriffe nichts gemein. Wohl aber mit unumgänglicher Aufklärung. Wir haben Feinde. Wir müssen unsere Feinde kennen und ihr Treiben hassen! Wir können ihr Treiben gar nicht genug hassen. Sie selbst aber können wir gar nicht genug lieben. "Liebet eure Feinde!" Das setzt die Existenz von Feinden unentrinnbar voraus. Ebenso unentrinnbar ist aber auch das Gebot, brennend zu wollen, daß ihnen das höchste Glück zuteil wird. Wir sind weit entfernt, die subjektive Situation unserer Feinde zu beurteilen, geschweige denn zu verurteilen. Aber wir nennen ihr schädliches bzw. schändliches Tun ungeschminkt beim Namen. Weil es unsere höchste Pflicht so gebietet! Derselbe Herr, der am Kreuze rief: "Vater, vergib ihnen! Sie wissen nicht, was sie tun!", hat in ganz und gar nicht zimperlicher Weise die verheerende Rolle seiner Feinde gegeißelt! – Ohne messerscharfe Logik kommt man halt gerade im Christentum nicht aus. —
In meiner Soester Rede habe ich bereits Fragen an die Bischöfe genannt. Dieser Katalog von Fragen wird präzisiert und erweitert werden. Er wird gedruckt und an alle Bischöfe verschickt werden kurz vor dem Koblenzer Ereignis. In meiner Rede – nach dem großen, feierlichen Hochamt um 12.00 Uhr – werde ich gemäß dem Thema "Das Königtum des Christus" diese Fragen öffentlich proklamieren und das Hirtenamt der Bischöfe klar in seiner schicksalhaften Bedeutung ausrufen; darstellen und beschwören! Auch Wiesbaden war, wie der Druck meiner Rede beweist, ein einziger Appell an die Bischöfe. Koblenz wird es doppelt und dreifach sein!!!
Über die Bedeutung der Zahl lehrt uns der Heilige Geist das Gegenteil von dem, was die Welt darunter versteht. Auch darauf werde ich in Koblenz zu sprechen kommen. Von Fall zu Fall aber benutzt der Heilige Geist den flachen Verstand der Erdgebundenen und widerlegt sie mit ihren eigenen Maßstäben. Das hat Wiesbaden bewiesen. Was da gesagt wurde, die Inhalte des unwiderlegt und unwiderleglich Vorgetragenen – wie könnte die ewige katholische Weisheit widerlegt werden, auch wenn sie aus dem Munde eines noch so armseligen Menschen kommt! – diese INHALTE wollte man nicht zur Kenntnis nehmen, bzw. man wollte sie mißverstehen. Progressistische Primitivität läßt sich von der Wahrheit nicht beeindrucken.
Aber daß da 3500 Menschen zugegen waren, das hat sie stutzig gemacht. Das hat sie schockiert. Was Geistfremden einzig imponiert, die Zahl, hat ihnen einen Schrecken eingejagt.
Meine Freunde! Ersparen wir ihnen dieses Erschrecken auch in Koblenz nicht! Bringen wir sie auch in Koblenz nicht um diesen Schock! Vielleicht wird es ein heilsamer Schock sein.
In Wiesbaden war alles zeitlich zu spät angesetzt. Aus Schaden wird man klug. In Koblenz wird sein das Feierliche Hochamt um 12.00 Uhr und die REDE um 14.00 Uhr. Um 16.00 Uhr spätestens wird alles zu Ende sein. Wer Handzettel haben will zum Verteilen, soll sich bis Anfang Oktober melden! –
Mit innigen Segenswünschen bin ich Ihr im Herrn ergebener
Hans Milch
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