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Sonntagsbrief vom 21. März 1976

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

In Predigt und Pfarrbrief wollen wir in dieser Fasten- und Passionszeit die "letzten Dinge" behandeln, und vor dem Hintergrund ihrer Betrachtung das im Hirtenbrief angesprochene Anliegen des Bischofs "Gemeindekatechese" angehen. –

Es wird – gerade heutzutage – im Zusammenhang mit Kirche und Religion so viel geredet von "Weltoffenheit", "Weltdienst", "sozialem Engagement", "Zeitgemäßheit" usw.

Aber wie ist es denn? Du weißt doch, wie die Jahre dahinrasen, wie schnell "Freund Hein" zur Stelle zu sein pflegt – erst recht in dieser Zeit! – wie er plötzlich "die Sense schwingt" auf der Autobahn, im Betrieb, wie er sich unerwartet anmeldet vor dem Röntgenschirm des Arztes, wenn dem Assistenten zugeraunt wird: "CA!" – Heute schon kann es sein, morgen oder in einigen Jahren, jedenfalls wird es bald geschehen. Kein Zweifel. Dann wirst Du ausgezogen. All das, weswegen die Fabriken arbeiten, die Räder rollen, die Renten oder Löhne erhöht bzw. nicht erhöht werden, weshalb die Betriebsräte tagen und die "Mitbestimmung" Gesetzeskraft erhält, warum die Leute mit Aktentaschen und wichtigen Gesichtern durch Straßen und Gänge laufen oder im prächtigen Mercedes das Diktaphon besprechen – all das wird es auf einmal nicht mehr geben. Du wirst ausgezogen werden – nicht bis aufs Hemd, nicht bis auf die Haut, sondern bis auf die – SEELE!

Dann wird kein Geld helfen und keine Protektion, kein Anwalt und keine "Beziehung". Dann wird es heißen: "Nun komm! Zeig Dich! Du hast Deine Chance gehabt. Was ist damit? Was hast Du zu bieten? Oder hast Du von mir nichts gewußt? War Dir nie etwas erzählt worden von meiner Gegenwart im Tabernakel, von meinem Opfer um Deinetwillen, von Geist und Blut? War Dir das nicht Aufregung genug? Warum bist Du darüber zur Tagesordnung übergegangen!? Schau nicht nach rechts und nach links und nach hinten! Da ist niemand. Kein Kollektiv, keine Mehrheit, keine gängige Mode schützt Dich ab! Du bist ganz allein! Nun, was ist!?" –

Meine Freunde, ich glaube, wir sollten anfangen, ernst zu machen. Sollten aufhören mit unserer Unwesentlichkeit und unserem inhaltsleeren Gemache. Es gab Zeiten, da die Menschen noch erschüttert werden konnten durch den furchtbaren Ernst Seiner ewigen Liebe! Das war das "finstere Mittelalter", wie es die Dummköpfe, die Verführer und Verführten nennen. Ach, wie war das so leuchtend hell, wach und menschenwürdig gegenüber diesem finsteren 20. Jahrhundert!

 

Von Herzen – Euer Pfarrer Hans Milch.

Schlüsselbegriffe ?
   
Nihilismus
   
Jüngstes Gericht
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