Sonntagsbrief vom 21. Januar 1979
Meine lieben Brüder und Schwestern!
Einheit im Glauben!
Man sagt, wir lebten "im Zeitalter des Ökumenismus". Was soll das denn heißen? Überlegen wir, was mit dem Unterschied der Konfessionen es auf sich hat, was Ökumene denn eigentlich bedeutet. – Zunächst einmal: Einen Menschen seiner anderen Überzeugung wegen als Feind zu betrachten bzw. ihm unter Vorbehalt zu begegnen, ist eine unsagbare Dummheit. Ich habe jeden Menschen zu achten und zu lieben. Ich habe kein Recht, meine Achtung und Liebe von irgend etwas abhängig zu machen. – Jetzt kommt die Dummheit Nr. 2! Sie lautet: "Wenn ich jedem Menschen mit Ehrfurcht und Liebe begegnen soll, unabhängig von seiner persönlichen Überzeugung, dann ist es ja egal, welche Überzeugung man hat. Hauptsache, man ist ein anständiger Mensch!" – Die Dummheit Nr. 1: Mißtrauen dem gegenüber, der anderer Auffassung ist" gehört im wesentlichen vergangenen Jahrhunderten an. Die Dummheit Nr. 2: "Es ist gleich bzw. unwichtig, von was jemand überzeugt ist" grassiert in unserer Zeit. Und von dieser zweiten Dummheit sind weithin die besessen, welche stolz vom "Zeitalter des Ökumenismus" faseln.
Wir sind als katholische Christen davon überzeugt bis in die Tiefe unseres Daseins, daß es das höchste Glück auf Erden ist, bewußt und frei ja sagen zu können zur Fülle der gottmenschlichen Inhalte und Angebote. Und wir wissen, daß diese Fülle nur gegeben ist, verkündet und verwirklicht wird in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen römischen Kirche. Wir wissen, daß durch diese eine und einzige wahre Kirche alle Menschen selig werden, die guten Willens sind, auch wenn sie nicht das Glück haben, schon zur Erdenzeit dieser Kirche ansichtig zu werden. In diesem Sinne ist die katholische Kirche die alleinseligmachende. Zur Ehre Gottes, der mit Seinem Blute uns Zutritt zu dieser Fülle erwirkt, zum höchsten Erdenglück der Menschen und zur größeren Leichtigkeit, für das ewige Heil den guten Willen zu entfalten, bin ich aus Liebe gedrängt und verpflichtet, möglichst allen Menschen das katholische Glück zu eröffnen. So will es Gott.
Ansichtig der heiligen Kirche wird man nicht schon durch die äußere Feststellung ihrer Existenz, sondern durch das Wachwerden für ihr Wesen. Dieses Wachwerden für ihr Wesen ist noch nie so schwer gewesen wie in den letzten anderthalb Jahrzehnten. Ihre Erkennbarkeit war noch nie so blockiert.
Diese eine, heilige, katholische und apostolische römische Kirche ist die Ökumene. Ökumenisch ist ein anderes Wort für katholisch und bedeutet dasselbe: allumfassend, das Ganze, die Fülle umgreifend.
Die anderen christlichen Konfessionen, d.h. die anderen Gemeinschaften, die sich auf Christus berufen und die Heilige Schrift des neuen und alten Bundes, bejahen unserer Überzeugung nach jeweils nur einen Teil der gottmenschlichen Botschaft und Wahrheit. Ökumenische Bestrebungen in unserem Sinne heißen also nichts anderes als: den Menschen der anderen christlichen Bekenntnisse klar machen, daß ihre Anliegen zwar gut sind, aber erst in der katholischen Fülle ihre voll beglückende Antwort erhalten. Jegliche Mission muß, wenn sie nachhaltig wirken soll, ehrfürchtig lauschend die Sehnsucht, die Not, die Frage des begegnenden Menschen ergründen, um ihm dann erleuchtend zu offenbaren, wie gerade er durch die katholische Kirche zu seinem Sinn und zu seiner Erhebung findet.
Was sich heute als "Ökumenismus" darstellt, ist nichts anderes als organisierte Gleichgültigkeit gegenüber den von Gott geoffenbarten Inhalten, von Ernst und Ehrfurcht weit entfernte Übertünchung von Überzeugungsunterschieden und damit eine tiefe Mißachtung des Seine Fülle offenbarenden Gottes.
Es gibt nur eine gültige Einheit für uns Christen, das ist die Wahrheit selbst. Der Aufruf "seid eins!" ist nicht Gottes Aufruf, wenn und sofern er die Wahrheit gegenüber einer gemachten Einheit zurücksetzt.
Es grüßt Euch alle von Herzen Euer Pfarrer Hans Milch.
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