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Sonntagsbrief vom 25. Februar 1979

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Einige lockere Gedanken zur Fastnacht. Eigentlich und ursprünglich heißt es Fasenacht bzw. Faselnacht. "Faseln" heißt: im Trancezustand – nach ekstatischem Tanzrausch oder während dieses Rausches – etwas daherlallen – ein Wahnsinn, in dessen Beute sich Engel und Dämonen zu teilen pflegen. Man glaubte zu heidnischer Zeit, mit Toben und Verrücktheit die bösen Geister zu bannen. – Zu christlicher Zeit erkannte man den reinen, göttlichen Sinn der Narrheit. Es gibt drei Stufen des Spaßes: Witz, Humor und Albernheit. Unter diesen drei ist die Albernheit, die Narrheit, der Blödsinn das Höchste. Witz ist ein doppeldeutiges, oft boshaftes Wortspiel, aus Scharfsinn geboren. Humor ist gütige, weltüberlegene Heiterkeit in der Betrachtung menschlicher Schwächen. Albernheit (Narrheit, Blödelei) ist eine pointierte Lust an der Dummheit als solcher: indem man die ganze, in sich lächerliche Fragwürdigkeit der Welt – sofern sie für sich selbst gesehen wird – erkennt, wünscht man, diese Lächerlichkeit massiv zum Ausdruck zu bringen. Es ist die absolut sorglose Weigerung, überhaupt etwas ernst zu nehmen, sich selbst eingeschlossen. Alles zum besten halten, zu entstellen, in eine fratzenhafte Armseligkeit zu verwandeln, schafft eine totale innere Leichtigkeit und Losgelöstheit. Man lacht über sich selbst und stellt sich damit radikal in Frage. So ist unbedingte, erbarmungslose Narrheit höchste Weisheit und der erste, tief gültige Zugang zu GOTT!

Es gab vor allem in der Aszese der Ostkirche die sogenannte "aktive Verrücktheit", das Sich-verrückt-stellen. Spuren davon hat man in der Westkirche bei Philipp Neri oder dem heiligen Pfarrer von Ars zum Beispiel.

Der heilige Philipp Neri lief zuweilen mit einem halben Bart durch Rom und hatte seinen Spaß daran, von den Gassenjungen ausgelacht zu werden. Der heilige Pfarrer von Ars – im Grunde hochintelligent, nur durch eine extreme Gedächtnisschwäche lernbehindert – machte gerne absichtlich ein doofes Gesicht und rief mit grotesker Gebärde: "Bah, seht nur hier, wie blöd ich bin!"

Das wird vielleicht den einen oder anderen schockieren, der meint, man müsse als Christ mit möglichst saurer Miene durch die Landschaft gehen. Es ist eine falsche Meinung. Der Christ ist der Inhaber des Lachens. Er hat das Erstrecht auf das Lachen. Er steht über den Dingen und durchschaut wie kein anderer die Lächerlichkeit der Welt.

Es gibt Fromme, die den furchterregenden Anblick eines massierten Panzerangriffs erwecken. Man hat immer ein schlechtes Gewissen, wenn man sie sieht.

Wie aber sagt GOTT zu Kain: "Wenn du fromm bist, so bist du angenehm!" In der Nähe des wahrhaft Frommen fühlt man sich geborgen und aufgehoben, wenn sonst einen die Welt aus "moralischen" Gründen verachtet und geringschätzt.

Nur soll man achtgeben. Es gibt eine tierisch ernste Weise, "fröhlich" zu sein. Jede Revolution ist tierisch ernst. Weltverbesserern fehlt jede Spur heiliger Narrheit. Sie nehmen diese Welt entsetzlich und tödlich ernst. Gewollt oder ungewollt richten sie am Ende schreckliche Zerstörung an. Das "Freut euch des Lebens!", von Robert Ley, dem "Kraft durch Freude"-Manager, angestimmt, ist von widerlicher Ernsthaftigkeit, fordernd, penetrant, prätentiös. Wie eben alle Gemeinschaftsmache.

Ein Modernist kann niemals Narr sein – und umgekehrt.

Die Leichtfüßigen, des heiligen Lachens, der Narrheit Fähigen werden uns vom stupiden Seelenmord des Progressismus befreien.

 

Es grüßt Euch alle von Herzen  Euer Pfarrer Hans Milch.

 

P.S. Die Christus als "Clown" darstellen oder "Fastnachtsmessen" halten, haben von christlicher Narrheit ganz und gar nichts verstanden. Deren "Narrheit" ist von tierischer und teuflisch-ernster Vergewaltigung.

Schlüsselbegriffe ?
   
Fastnacht
   
Lachen
   
Frömmigkeit
   
Progressismus
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