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Sonntagsbrief vom 25. März 1982

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Wie ist das also mit dem "guten Gewissen"?

Selbstverständlich kann ich eine Sache mit gutem Gewissen tun – also in der Überzeugung: "Es ist so richtig; ich kann es verantworten." Das ist keine Frage – ABER:

Ich darf grundsätzlich mein Dasein nicht im Zeichen des "guten Gewissens" verstehen – im Sinne: "Ich tue meine Pflicht. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe ein gutes Gewissen!" Das ist falsch, mit dem Christentum unvereinbar, pharisäisch. –

Es genügt, um es zu begreifen, ein Gedanke:

Gott, der Allmächtige, der alles erschaffen hat, alle Gestirne, Sonnen, Planeten, Meer, Land, Wälder, Ströme, Pflanzen, Tiere, reinen Geister, alle Menschen – ALLES! – wird Mensch, geht ins Elend, in tiefste Trauer, läßt Sich ungerechtest verurteilen zum Tod, zum ehrlosen Tod, läßt Sich geißeln, treten, in ein Bündel Wunde, in ein blutendes, zuckendes Stück Fleisch und vergießt Seinen letzten Blutstropfen in der grauenhaften Erfahrung der Gottesferne:

 

Für Dich!

Ungeteilt für Dich!

 

Wer bei dieser Erkenntnis "guten Gewissens" sich beruhigt: "Ich habe meine Pflicht getan!", beleidigt selbstverständlich GOTTES BLUT! Ich werde durch Seine Bluthingabe, durch Sein tief-inniges Freundschaft-Angebot, mit dem ER SICH MIR schenkt, aufgerufen, mich IHM zu schenken, bedingungslos, ohne Reserve, ohne Wenn und Aber und ohne Komma, um IN IHM unter jene wachende Hut des himmlischen Vaters zu geraten, die noch das schlimmste Weh mir zum Allerbesten, zu Heil und Vergöttlichung gereichen läßt. – Vollziehe ich diese Hingabe?

Ebenfalls folgt aus dieser Hingabe des Blutbräutigams unserer Seele, daß ich mit SEINEM Nachdruck, mit SEINEM unbedingten Willen, mir Armseligsten das Allerbeste, das ewige, grenzenlose GLUCK schenken will und auch jedem – verstehen Sie? JEDEM! – Menschen unbedingt und mit dem ganzen Nachdruck meines tiefsten Willens sein allerhöchstes Glück schenken will!

Das, das ist übermenschlich schwer, und ich werde davon nicht beurlaubt, nie, nie, nie beurlaubt! –

Kann ich nach alledem noch ein gutes Gewissen haben? Nie und nimmer! –

Ich habe mit meiner Armseligkeit, mit der ich dem Herrn, dem ewigen Freund, antworte, Grund zur Trauer! Ich selbst bin mir der größte Grund, zu trauern.

Denn noch eins muß ich bedenken: JESUS verwertet das furchtbare Leid, das IHM der allergemeinste Sünder, der Verkommenste unter den Gemeinsten, bereitet, zu Gunsten des Gemeinsten, also Er benutzt das Ihm zugefügte Weh zugunsten dessen, der es IHM zufügt. Auf daß ich die Kraft habe, meinem Beleidiger ebenso zu begegnen: das mir durch ihn vollzogene Leid, Unrecht, Weh und Schmach habe ich mit Christus für den Beleidiger und für den, der mir noch so großen Schaden bereitet hat, zu vereinen und dem himmlischen Vater aufzuopfern. Und damit es wirklich redlich, fruchtbar und im Sinne und der Kraft des Herrn geschehe, muß ich diese meine Hingabe total verschweigen und mir jegliche Genugtuung versagen, es irgend jemandem bekanntzumachen – am wenigsten dem Beleidiger und dem Zufüger der schlimmsten Leiden! Jede Rachsucht, die um so schlimmer ist, je heimlicher, "sanfter" und auffällig-unauffälliger sie geschieht, muß um der Gnadenwirkung willen auch im letzten Hinterstübchen meines Gehirns ausgerottet werden und unterbleiben.

Jawohl – das ist übermenschlich schwer, fast ist man geneigt zu sagen: unmenschlich schwer! Aber es hilft nichts! Du, ich, dürfen nicht aufhören, dahin zu streben mit aller Kraft! – Ohne all dies ist unser Tun ein auswechselbarer Zufall – denn was nutzte es ohne DIES???!!! – Und dennoch – bei aller Trauer – Freude!

Seines unendlichen Erbarmens wegen! –

 

Herzlichst – Dein Hans Milch, sacerdos.

Schlüsselbegriffe ?
   
Opfer
   
Leiden
   
Für dich
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