Sonntagsbrief vom 16. Januar 1983
Meine lieben Brüder und Schwestern!
Hochzeit! Durch die ganze heilige Schrift hindurch ist die Rede von ihr schweigend, "zwischen den Zeilen", immer gegenwärtig. Immer wieder auch ausdrücklich: Hochzeit!
Ein Crescendo von Anbeginn bis zur Geheimen Offenbarung. Am Ende ohne Ende wird sie sein in ihrer Endgültigkeit – immerwährende Hochzeit = Ehe. Das heilig-nächtige Brautgemach ist ewig-neue Erfahrung im ewigen Jetzt der Ewigkeit. Nichts wird Gewohnheit – Vergangenheit und Zukunft sind zu Ende – nur noch ist Gegenwart, eine ewige Gegenwart. "Siehe, ich mache alles neu!" (Geh. Off., 21,5) – das heißt: Siehe, ich mache alles zur unauslöschlichen Neuheit; die ermattende Wiederholung ist zu Ende; das Erstmalige einzig wird bleiben in seiner Erstmaligkeit und Einzigartigkeit; es wird zum Jetzt, unbedroht von ungewisser Zukunft; denn auch die freudemordende Zukunft hört auf; souverän und herrscherlich waltet die Lust jener Brautnacht, die kein täuschender Tag mehr mit seiner widerlichen Nüchternheit beenden wird. Sein fahles Licht schwindet; das wahre Licht, das in der Nacht leuchtet, wird nie mehr verlöschen. Wir doch als Christen feiern die heilige Nacht und preisen sie selig. In ihr allein rauschen die Geheimnisse auf! Das urmächtig Echte wahrt sie im mütterlichen Schoß – innig-wonnige Berge bietend, zärtliche Kosung webt sie und ekstatisch-jauchzende Vereinigung.
In allem, in allen wirkt das Brautpaar der Erlösung: Christus und Maria. Und jeder wird Herr im Herrn, Licht im Licht, Christus in Christus. Jede wird Herrin in der Herrin, Braut in der Braut, neue Eva in der neuen Eva, Maria in Maria: Da alle Vergangenheiten zusammenkommen und jegliche Zeit, da jeder wird, der er ist, in Ihm, in Ihr, jeder und jede, durch das Eingehen in die Einheit des allumfassenden mystischen Christus, und so erst jede in jedem, alle in jedem, jeder in allen sein wird, um brünstig, in nie gewesener Einzigartigkeit, den je geliebten Menschen zu erkennen wie noch nie und sich mit ihm zu verbinden, umschlingend, versinkend in unvorstellbarer Leidenschaft höchsten Glückes – nennen wir dies Unvorstellbare, da in vollkommener Vereinigung jeder Mensch seine Einmaligkeit nicht verliert, sondern erst recht in grenzenloser Bestätigung aufstrahlen läßt: All-Einheit! – Sie ist der ewig-endgültige Ring der Ringe!
Sei getrost! Unvorstellbare Herrlichkeit steht Dir bevor! Was nie Du erahnt, es wird Dir zuteil!
Was je Du verloren gewähnt, Du erfährst seine unendliche Gegenwart, die jetzt schon geheimnisvoll sich ereignet – dort in der Tiefe, "wo mit Christus Dein Leben verborgen ist in Gott!" —
Gepriesen sei die Hochzeit des Lammes!
Schon ist der versiegende Bronnen wieder lebendig.
Schon läßt die Samariterin am Brunnen ihren Krug stehen, weil "sie den Quell gefunden hat, der fortspringt ins ewige Leben!" Schon ist das Wasser der Reinigung verwandelt in den Wein, der Leben spendet!
Schon ist die Ewigkeit Gegenwart in Dir!
Schon leuchtet – in stillster Stunde kannst Du es ahnen – die große Brautnacht in Deiner Seele tiefem Schoß!
Schon harrt der Geliebte Dein und mit Ihm die von Ihm erst-erweckte Geliebte, das Weib der Endzeit, Maria!
Schon harrt in Dir, was je Du erfahren!
Die Vergangenheit steht nicht "ewig still", wie Schiller meint! Sie kommt wieder!
Sie wird aus ihrer Unwiderruflichkeit erlöst durch Seinen Kuß – wie das schlafende Dornröschen mit seinem Hofstaat.
"Kommt wieder, Menschenkinder!"
Willst Du?
Dann sei unendlich glücklich gepriesen!
Herzlichst segnet Sie alle
Ihr priesterlicher Freund Hans Milch.
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