Startseite Menü einblenden Übersicht: Sonntagsbriefe 11.04.76 05.09.76 Drucken
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Himmelfahrt unseres Herrn bedeutet die Erhöhung des Menschen zu göttlicher Macht und Herrlichkeit. In Christus, als Glieder Seines geheimnisvollen Leibes, sind wir imstande, schon im Kreuze unseres körperlichen Lebens die Erde zu beherrschen und die Menschenherzen zu lenken durch den Heiligen Geist, der von uns ausströmt. –

Diese Vergöttlichung des Menschen durch die Menschwerdung Gottes ist die höchste Erfüllung unserer eingeborenen Selbstliebe. Die Selbstliebe ist uns eingegeben, daß wir sie ganz und gar entfalten. Nur wer sich selbst liebt, kann auch den Nächsten lieben. Daher heißt es: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Wer folglich sich selbst nicht liebt, kann auch seinen Nächsten nicht lieben. – Manche irritiert dieses Wort, weil sie es mit "Egoismus" verwechseln. Sie meinen – und haben diesen Unsinn gar gelernt –, man dürfe sich zwar bis zu einem gewissen Grade lieben, aber nicht zu viel. Wenn es über ein bestimmtes Maß hinausgehe, dann sei das eben "Egoismus". Nein! Man kann sich selber gar nicht genug lieben und nie zuviel! In dem Maße, wie wir uns selbst lieben, können wir auch unseren Nächsten lieben. Nur der Beglückte kann glücklich machen. Nur der von Freude erfüllte kann Freude geben. Ich kann nur mitteilen, was ich besitze. – Egoismus ist nicht zuviel Selbstliebe, sondern das Gegenteil von Selbstliebe. Der Egoist sündigt gegen die Selbstliebe, weil er das, was uns dienen soll, was der Herrschaft unseres ICH unterworfen sein soll – Essen, Trinken, Besitz, Macht und Genuß –, zum Götzen erhebt, dem er selber dient, dem er sein Ich unterwirft. Wer sich selbst liebt, macht sein Ich zum Herren über die irdischen Dinge, macht sein Ich unabhängig von den Meinungen und Vorstellungen der Menschen, unabhängig von den Wünschen seiner Umgebung, unabhängig von Mode und Zeitgeschmack, unabhängig von der Masse und der Mehrheit. Er macht in der Kraft des Christus-Geistes sein Ich frei! –

Erst als Freigewordener kann ich wahrhaft den Menschen dienen, ihrem Wohl, nicht immer und nicht bedingungslos dagegen ihrem Wunsch. Nur wer Wünschen und Forderungen seiner Umwelt – und gerade den Nächststehenden gegenüber – sein Nein entgegenzusetzen vermag, kann auch wahrhaft lieben. Sogenannte Gutmütigkeit, die nicht nein sagen kann und sich ausnutzen läßt, ist das Gegenteil von Liebe – sie ist Schwäche und eine verkappte Form des Egoismus. Viele Gutmütige meinen, sie seien vom Egoismus weit entfernt. O nein! Gerade sie sind ausgemachte Egoisten. Liebe ist niemals Schwäche, sondern Kraft und Freiheit, Weisheit und Mut! Gutmütigkeit ist Feigheit und Selbstversklavung, Dummheit und Schwachheit. – Es ist sehr bequem, sich versklaven zu lassen. Man wird der Eigenverantwortung enthoben. Gerade Frauen sind oft – auch durch die Schuld jahrhundertelanger Fehlbeeinflussung – im Wahn befangen, sie sollten keine eigenen Vorstellungen von ihrem Leben und ihrer Selbstgestaltung und Selbstentfaltung aufkommen lassen und immer nur fraglos "für andere dasein". Solche Frauen können ihren Lieben wenig geben. Sie verraten ihr Ich, das Christus aufstocken und hochzüchten will. Sie verschleudern ihre Eigenständigkeit und ihren Eigenwuchs. Sie sind widerstandslose und geistig gesichtslose Wesen, die sich nur zu Sklavendiensten mißbrauchen lassen. Sie reden sich dann noch ein, das sei gottgewollte "Selbstlosigkeit". Bequeme Selbsttäuschung, die von Eigenentfaltung zu beurlauben scheint!

Nur wer ein Ich ist, kann auch ein Du sein! Nur wer seine Person zur Persönlichkeit gesteigert hat, kann sein Ich hingeben – weil das Ich es will, nicht weil es verlangt wird. Gott will freie, stolze (nicht hochmütige), frohe, starke, nüchterne, eigenständige, lachende Menschen! Gott will  keine geduckten Mucker!

 

Es grüßt Euch alle von Herzen  Euer Pfarrer Hans Milch.