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Meine lieben Brüder und Schwestern,
es ist Sonntag Sexagesima, und wir haben das Evangelium gehört; und wir feiern Cyrill von Alexandrien. Das Evangelium paßt wunderbar zu dem großen Heiligen. Wir wissen, daß er entbrannte gegen einen Irrlehrer, einen sehr einflußreichen und sehr mächtigen Irrlehrer, Nestorius, der Patriarch von Konstantinopel war, gedeckt und geschützt vom Kaiser Ost-Roms. Cyrill war Patriarch von Alexandrien und wandte sich mit aller Macht, mit flammender Leidenschaft gegen dessen Irrtum. Nestorius behauptete, Jesus sei eine geschaffene menschliche Person, und Maria habe den Menschen Jesus geboren. Sie sei Menschenmutter. Nun sei dieser Jesus aber mit dem einen Gott so ganz, ganz innig vereint gewesen, nun in der Herrlichkeit erst recht, daß man wie zwischen Liebenden gar nicht mehr hätte unterscheiden können zwischen Gott und Ihm.
Wenn Nestorius Recht hätte, wären wir bis heute nicht erlöst! Denn es ist entscheidend für unsere Erlösung, daß Gottes Zweite Person, Gott Selber also, in Seiner Personalität, als das Wort des Vaters leidet. Hätte der Mensch Jesus als menschliche Person am Kreuz gehangen, dann wäre es nur ein begrenztes Opfer gewesen. Nun aber hat Gott diese Sühne vollzogen, weil Sein ICH, das göttliche ICH, das Leiden der menschlichen Natur übernommen und damit diesem Leiden den unendlichen Sühnewert verliehen hat. Und unsere Schuld muß ja, um geheilt und gutgemacht zu werden, durch eine unendliche Sühne gesühnt werden. Darum wären wir nicht erlöst, wenn Jesus eine menschliche Person wäre. Er ist göttliche Person, eine Person in zwei Naturen, der göttlichen und der menschlichen. Daran hängt alles, Dein und mein ewiges Heil und Glück, an dieser Wahrheit wie an allen je geoffenbarten und je von der Kirche definierten Wahrheiten der Offenbarung! Das ist das Schlimme an unserem Geschlecht, ein Zeichen tiefer Dekadenz, daß man sich dafür nicht mehr interessiert.
Es wimmelt heutzutage von Nestoriussen und Ariussen. Es ist noch milde, wenn's ein Arius ist bzw. ein Nestorius. Die meisten glauben ja schon gar nichts mehr, auch was Priester jüngeren Datums anbetrifft und die Beherrscher der Kirche. Nicht etwa der Papst und die Bischöfe sind die Beherrscher, sondern die Professoren! Im deutschsprachigen Raum ist der absolute Herrscher über alle Bereiche z.B. der Prof. Dr. Karl Rahner. Wenn die noch soviel glauben würden, wie immerhin noch Nestorius geglaubt hat, dann könnte man ja noch glücklich sein. Und heute würde man sagen: "Nun, warum soll man dagegen kämpfen? Die Wahrheit können wir ja doch nicht fassen. Entscheidend ist, daß wir brüderlich einander begegnen". Diesen und ähnlichen pseudobrüderlichen Unsinn würde man hören. Man kann nicht mehr verstehen, wie ein Mensch mit Haut und Haaren, mit seiner ganzen Existenz sich dieser einen katholischen Wahrheit verschwört und darin aufgeht und lebt, so daß er sich persönlich geradezu beleidigt weiß, wenn diese Wahrheit geleugnet wird, und wie entsetzlich es ist, daß diese Wahrheit geleugnet wird im Namen der Kirche, die dazu da ist, diese Wahrheit zu betonen, daß dies das schrecklichste Unglück ist! Schlimm ist, wenn Bischöfe und Lehrer der Kirche einen unsittlichen Lebenswandel führen, aber unendlich viel furchtbarer, grausamer, zerstörerischer ist es, wenn diejenigen, die im Namen der Kirche lehren, das Antikirchliche, das Entgegengesetzte lehren und damit die Menschen in Verzweiflung bringen, so daß sie nicht mehr wissen können, was ist wahr und was ist nicht wahr. Die himmelschreiendste, zerstörerischste Sünde, schlimmer als millionenfacher Massenmord ist es, wenn im Namen der Kirche, als Kirche, von Vertretern der Kirche, die sich als solche bezeichnen, Wahrheiten der Offenbarung geleugnet, geschmälert oder ins Gegenteil verkehrt werden. Das ist das fürchterlichste Unheil und objektiv das fürchterlichste Verbrechen!
Daß wir uns da heute nicht mehr so persönlich beleidigt fühlen, ist ein Zeichen dafür, daß wir nicht mehr wie ein Samenkorn in die Erde fallen. Und im Grunde ist ja die "gute Erde" Christus, und "der Same", das Wort Gottes, ist der Mensch. Der eine gibt sein Dasein steiniger Erde, den Dornen usw. preis wie die meisten. Und nur wenige lassen sich hineinfallen in Christus, der das einzige, lockere, verheißungsvolle, fruchtbare Erdreich ist, die "gute Erde". Und die sich da hineinfallen lassen, die sind auf Tod und Leben engagiert und kennen nur noch diese Wahrheit und entbrennen in heiligem Zorn, wenn die Unwahrheit seitens derer, die die Wahrheit darstellen, garantieren, identifizieren sollen, wenn die Wahrheit von seiten derer geleugnet bzw. ihre Leugnung oder Abschwächung geduldet wird. Es ist furchtbar, furchtbar! Darum sind uns Gestalten wie Cyrill so fremd geworden, die ein einziges Feuer gewesen sind.
Ich habe selber Professoren noch gehört zu den guten, relativ guten Zeiten, jedenfalls noch zu den klaren Zeiten, als ich studierte, als noch der ein oder andere gemeint hat, Cyrill habe wohl etwas lieblos gehandelt. Gerade seitdem ich das gehört habe von einem bestimmten Professor, Cyrill habe lieblos gehandelt, habe ich mich doppelt und dreifach für diesen Heiligen begeistert. Das war nicht lieblos, sondern im Namen der höchste Liebe! Denn die größte und einzige Liebe ist es, den Menschen zu sagen, was die Wahrheit ist! Von der Wahrheit soll man reden; die Liebe soll man tun. Wer dauernd von der Liebe redet, hat's nötig. Wir sollten alle nicht von der Liebe reden. Und was die Liebe anbetrifft, haben wir wohl alle, Du und ich, ein ganz miserabel schlechtes Gewissen. Also halten wir doch den Mund! Wenn so viele da kokettieren, halb kokettieren, wir tun ja alle viel zu wenig, dann schweig doch, dann tu es doch. Von der Liebe soviel zu reden ist peinlich und geschmacklos. Aber die Wahrheit sagen und verkünden, das ist in sich ein Tun, und zwar das Tun der Liebe schlechthin! Denn was nutzt mir Essen, was nutzt mir Trinken, was nützen mir Kleider, was nützen mir alle materiellen Wohltaten, wenn ich nicht weiß warum. – Gar nichts. Ich will wissen warum! Und ich will es genau wissen! Und es gibt nur diese eine, genaue, durchschlagende Antwort, und das ist einwandfrei die katholische! Und was sonst an Antworten gegeben wird, hat nur insoweit Sinn und Wert, als sie sich einbinden läßt ins Katholische, in die katholische Fülle. Dafür eifern und dennoch die Liebe zu den Personen, zu den Irrenden, wahren ist zweifellos nicht leicht. Aber wir müssen diese Spannung tragen. Zweifellos eine Spannung: den Irrtum hassen mit der ganzen Inbrunst meines Herzens und den Irrenden lieben mit derselben Inbrunst. Da müssen wir hinkommen. Wir können uns vor dieser Spannung nicht drücken und wir kommen nicht drumherum. Wir müssen den Irrtum hassen. Wir müssen Liebe und Haß, beides in höchstem Maße in unserem Herzen vereinen lernen, wie es ein Cyrill durchgestanden hat, der sich eben in diese Wahrheit hineinbegab und darin atmete und lebte und dessen Dasein es gewesen ist, mit und in der Wahrheit zu leben. Er hat das Konzil zu Ephesus in die Wege geleitet und geistig inspiriert und geführt.
Wir hatten gestern vor einer Woche, am ersten Februar, das Fest des hl. Ignatius von Antiochien. Wie ein Cyrill leidenschaftlich gegen den Irrtum kämpfte, so war auch ein Ignatius Same, der hineinfiel in die Erde, in der Erde aufging, um aufzugehen in Christus. Und wir können gar nicht mehr begreifen, wie es möglich war dieser Todesrausch, was ja dasselbe ist wie Liebesrausch. Liebe und Tod sind im Grunde zwei Begriffe für ein und dasselbe. Sterben und Lieben ist ein und dasselbe. Unser Geschlecht kann nicht mehr lieben und nicht mehr sterben für eine große Sache. Die große Leidenschaft, mit der Männer wie die Martyrer, wie ein Ignatius oder ein Cyrill sich ganz dreingaben mit glühender, schöner – schön wird ja der Mensch durch seine Todbereitschaft –, mit einer unstillbaren Sehnsucht, dem Zerrissenwerden durch die Bestien ausgeliefert, das kann unser schwaches Geschlecht, das können unsere schwachen Seelen gar nicht mehr nachvollziehen. Wir brauchen wieder ein solches Geschlecht, und beten wir darum! Ich lese nur mal ein paar Sätze vor aus seinem Brief an die Römer. In Rom bemühte man sich, beim Kaiser um Gnade zu bitten. Er war auf dem Schiff nach Rom, um dort den Bestien in der Arena vorgeworfen zu werden. Und er erfuhr, daß man sich in Rom um Begnadigung bemühte und schrieb nun beschwörend an die Römer, sie möchten das lassen und ihn nicht um sein höchstes Glück bringen. "Ich schreibe an alle Kirchen und schärfe allen ein, daß ich gern für Gott sterbe, wenn nur Ihr mich nicht hindert. Ich ermahne Euch, mir kein unzeitiges Wohlwollen zu erzeigen! Laßt mich der wilden Tiere Fraß sein, durch die zu Gott zu gelangen ist! Gottes Weizen bin ich, und durch wilder Tiere Zähne werde ich gemahlen, auf daß ich als reines Brot des Christus befunden werde. Schmeichelt lieber den wilden Tieren, daß sie mir zum Grab werden und nichts von meinem Körper übriglassen, damit ich nicht nach meinem Tode noch jemandem zur Last falle. Dann werde ich ein wahrer Jünger des Christus sein, wenn die Welt nicht einmal meinen Leib sehen wird. Flehet den Christus für mich an, daß ich durch diese Werkzeuge als ein Opfer für Gott erfunden werden. Nicht Befehle erteile ich Euch wie Petrus und Paulus. Sie sind Apostel, ich ein Verurteilter; sie sind frei, ich aber bin bis jetzt ein Sklave. Wenn ich aber gelitten habe, bin ich ein Freigelassener des Christus Jesus und werde in Ihm als ein Freier auferstehen. Jetzt lerne ich nur in Fesseln, nichts zu begehren." Und dann heißt es: "Habt Nachsicht mit mir! Was mir frommt, weiß ich. Möchte ich doch Freude erleben an den wilden Tieren, die für mich bereitstehen. Und ich wünsche, daß sie sich mir gegenüber schnell entschlossen zeigen. Dazu verlocken will ich sie, mich schnell zu verschlingen, nicht so wie es bei einigen geschah, die sie aus Feigheit nicht anrührten. Wollen sie aber freiwillig nicht, werde ich Gewalt gebrauchen. Jetzt stehe ich am Anfang des Jüngerseins. Nichts soll mich umwerben von Sichtbarem und Unsichtbarem, auf daß ich zu Christus gelange. Feuer und Kreuz und Rudel von wilden Tieren, Zerschneidung, Zerteilung, Zerstreuung von Knochen, Zerhauung von Gliedern, Zermahlung des ganzen Körpers, üble Plagen des Teufels sollen über mich kommen, daß ich zu Jesus Christus gelange. Nichts können mir die Enden der Welt nützen noch die Königreiche dieser Weltzeit. Es ist besser für mich, auf Christus Jesus hin zu sterben als König zu sein über die Enden der Erde. Ihn nur suche ich, den für uns Gestorbenen! Ihn nur will ich, den um unseretwillen Auferstandenen! Die Wehen sind mir auferlegt."
Heute würde man sagen, das ist Fanatismus. Heute leben wir in einer Zeit, die vor achtzehn Jahren damit eröffnet wurde, daß man sagte, heute gehe man mit den Irrlehrern und Irrenden barmherzig um und man würde mehr Milde walten lassen in der Hoffnung, daß sich die Irrlehren von selber auflösen. Wenn dieses Wort stimmte, wären Bischöfe überflüssig. Ein törichtes Wort war das, ein Wort, das eine fürchterliche Erweichung des Willens und des Geistes nach sich zog! Wenn wir nicht leidenschaftlich mehr lieben können und hassen – und nur der hassen kann, kann lieben; und nur der, der lieben kann, kann hassen –, wenn wir starker Gefühle nicht mehr fähig sein werden, dann ist es aus mit diesem Geschlecht! Ich erinnere mich an das Wort eines großen Propheten am Ende des vorigen Jahrhunderts: "Oh zahme Kunst der Zauberin, die nur Balsamtränke noch braut." Dies ist fürchterlich lieblos und geradezu grausam für das Menschengeschlecht, nur noch Balsamtränke zu brauen. Darunter stirbt massenhaft dieses Geschlecht! Starke Getränke, Feurige des Geistes brauchen wir wieder, damit unser Geschlecht [fortbestehen kann. AMEN.]