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Niederschrift der Rede von Pfarrer Hans Milch
Rest oder Sekte? - Die aktuelle Lage im Lichte des Vorbildes Maria
Volksmission München, 11. November 1984
Schild der actio spes unica

Meine lieben Brüder und Schwestern, liebe Freunde, liebe Gäste, liebe Anwesende,

 

dies ist eine Kundgebung besonderer und eigener Art. Normalerweise richten sich Kundgebungen an eine Masse, sind auf Masse aus, auf eine große Zahl. Diese Kundgebung ist anderer Art. Es ist die Kundgebung, die gerichtet ist an den Menschen. Zweifellos eine Kundgebung an die Menschheit, aber an die wirkliche Menschheit. Was ist denn die wirkliche Menschheit? Das bist du, das ist der je Einzelne. Und an dich geht der Appell, an dich geht der Aufruf. Auch an dich, der du vielleicht innerlich fernstehst, anders denkst, dich innerlich dagegen auflehnst oder amüsierst. Auch an dich gehen diese Worte. Denn nur der je Einzelne ist in Wirklichkeit Mensch, und die Menschheit wird nur dort real, wo der je Einzelne denkt, fühlt, sich entscheidet, leidet und seine Erfahrungen hat. Darum ist diese Rede an dich. An die, die nicht kapituliert haben vor allem, denn diese Kundgebung steht im Rahmen der Volksmission, aber auch eventuell an die einen oder anderen möglicherweise und zufälligerweise Anwesenden, die zu den Millionen gehören, die kapituliert haben. Auf die dürfen zuhören und sollen zuhören.

Denn hier ereignet sich ein Wort der katholischen Kirche, der römisch-katholischen Kirche, ihr notwendiges Wort, gerichtet an dich, denn in dir ereignet sich die Kirche, die eine, heilige, katholische, apostolische, römische Kirche. Jetzt und hier, an dieser Stelle wird sie Ereignis, und sie wird Ereignis in jedem Einzelnen, der zuhört und ja sagt und die Worte in sich aufnimmt, die im Namen des Gottmenschen, im Namen der einzigen und ewigen katholischen Wahrheit gesprochen werden. Im Einzelnen allein ereignet sich Schicksal. Schicksal, Schickung, Fügung, das, was auf dich zukommt, das, was dich anredet, womit du gemeint bist, und zwar du in deiner Ganzheit, in deinem Dasein – das ist Schicksal. Und es können nicht hundert Gefühle, hundert Willen, hundert Entscheidungen, hundert Verweigerungen zusammengezählt oder multipliziert werden. Es kann immer nur jeweils ein einziger denken, fühlen, ja sagen oder sich verweigern. Im Einzelnen ereignet sich Volk, im Einzelnen ereignet sich Kirche, und die katholische Kirche ist nichts anderes als das Ereignis des ewigen Schicksals des Menschen – also dein Schicksal, dein ewiges, eigentliches, endgültiges, unwiderrufliches Schicksal. —

Demgegenüber hat man es heute mit ganz anderen Maßstäben zu tun in diesem finsteren Jahrhundert, in dem wir leben. Und es sei deutlich gesagt: Es gibt kein finsteres Mittelalter, aber es gibt sehr wohl das finstere, geistesfinstere zwanzigste Jahrhundert. Und das sagen wir gegen Millionen Stimmen, die anders denken. Denn in diesem 20. Jahrhundert, in dem zu leben uns als Bürde aufgetragen ist, und als Würde, wenn wir Widerstand leisten und uns herausrufen lassen, dieses 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch die hochperfektionierte, höchstperfektionierte Oberflächlichkeit und Äußerlichkeit – das was außen ist, das Nichtige, Nichtssagende, Zahl, Zeit, Mode, Mehrheit, Meinung, Masse – lauter Varianten und Ausdrucksformen des Nichts – und diese Varianten und Ausdrucksformen des Nichts sind in unserem Jahrhundert die prägenden und thematischen Aspekte – zur Schande dieses Jahrhunderts, denn es ist das Jahrhundert des Nihilismus, das Jahrhundert, das den Götzen des Nichts anbetet, und nichtige Zufälle, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, ohne Sinngehalt, nichtige Zufälle bearbeitet, zu sinnlosen, zufälligen Zwecken einsetzt, mit einem Höchstmaß verstandesmäßiger Anstrengungen. Noch niemals im Laufe der bekannten Geschichte der Menschheit ist so viel Verstandeskraft an so viel Nichtigkeit und Oberflächlichkeit verschwendet worden. Das ist das treffende, prägende Kennzeichen dieses armseligen, dieses vom Teufel heimgesuchten schicksalsschweren Jahrhunderts; und wir haben uns hier zusammengefunden – das ist schon kein gutes Wort – du bist hier eingetroffen, um zu zeigen, daß du nicht einzuordnen bist in dieses dem Nichts und der Masse und der Zahl und der Äußerlichkeit verfallenen Jahrhundert, du läßt dich nicht einfügen, du machst nicht mit, sondern du willst Du bleiben, der du bist in deiner Einmaligkeit.

Denn das kennzeichnet den Menschen als solchen: Nicht, daß seine vorübergehenden animalischen und zufälligen Bedürfnisse befriedigt werden, das macht nicht sein Glück aus. Dem Menschen geht es nicht besser, wenn günstige Tarifrunden abgeschlossen werden. Dem Menschen geht es nicht besser, wenn er mehr Urlaub hat, mehr Freizeit, mehr Geld und weniger Arbeit. Dem Menschen geht es erst gut, wenn ihm die Antwort gegeben wird auf die Frage in der Tiefe seines Geistes, die er nicht wie die Milliarden, wie die allermeisten zuschüttet, sondern die Frage, die er freigibt und freiläßt, die notwendige, wesenhafte, eigentliche Frage, in der die Würde des Menschen beschlossen und gegeben ist.

Und diese Frage ist gerichtet nach dem Einen, der die Sehnsucht unseres Geistes befriedigt und erfüllt. Und die Sehnsucht des Menschengeistes geht ins Unendliche. Der Menschengeist ist aus seiner innersten Notwendigkeit heraus unersättlich. Der Mensch ist dazu angelegt, an keiner Grenze stehenzubleiben, er will und muß jede Grenze überschreiten, und der Gedanke an ein ewiges Stehenbleiben an einer Grenze ist zugleich der Gedanke an die Hölle, denn Grenze ist auf die Dauer für den Menschen Hölle und Unerträglichkeit. Der Mensch will, muß darauf gespannt sein und danach verlangen, jegliche Grenze zu überschreiten, denn er ist angelegt auf das Wahre schlechthin, auf das Gute und das Schöne; und das sind Begriffe, die Unendlichkeit in sich bergen und die einzig erfüllt sind in Gott.

Der Mensch ist das Geistwesen, dessen Wesen es ist und Sinngehalt es ist, auf Gott ausgerichtet und auf Gott angelegt zu sein. Nimm vom Begriff Mensch Gott weg und was zurückbleibt ist jener Torso, jenes Stückwerk, jenes Bündel Nichts, das dieses Jahrhundert in Milliardenausgabe vorlegt. Das hoffiert wird, das umschmeichelt wird, um dessen Stimmen geworben wird, die Stimmen der Tausenden und der Millionen, die Gott ausklammern und daher ein sinnloses, kümmerliches, ein nichtiges Leben leben, das noch nicht einmal den Namen Leben verdient, ein vegetierendes, animalisches, zufälliges Dasein. Die meisten Menschen leben wie X und Ypsilons, aber du bist hier, um dich dagegen zu verwahren, "Ich will kein X und Y sein, sondern ich will die Antwort aus der Richtung, die meine Sehnsucht nach Unendlichkeit erfüllt und befriedigt." Und diese Richtung, wie gesagt, kommt von Gott, und Gott selber ist es, der, wenn Er will, diese unsere Sehnsucht in Seiner Gnade und in Seinem Erbarmen erfüllt.

Und die ganze christliche Botschaft besteht im Grunde in der Mitteilung: Jawohl, Gott will! Er interessiert sich flammend für dich, ja Er ist das unendliche, allmächtige, allwissende Interesse, das flammende Feuer eines einzigen, gewaltigen, unteilbaren, absoluten Interesses für dich, ungeteilt für dich. Das ist die Herrlichkeit, der du und ich uns verschworen haben, um deren Willen wir hier ein Bekenntnis ablegen und uns stärken lassen wollen. Du, du und ich, der jeweils Einzelne, die wir [verstecken] uns nicht in dem verführerischen Wörtchen "wir" verstecken, sondern wir geben uns mit unserer Sehnsucht dem gewölbten Himmel des göttlichen Angebotes schutzlos preis. Du, der Einzelne, du versteckst dich nicht in einer Masse, du schaust nicht nach rechts und du schaust nicht nach links, du schaust nur in die Richtung, woher die Antwort kommt, die dein Glück ausmacht und den Sinn deines Lebens und dich in den Sinn und der [die] Macht deines Daseins heraushebt und sichert gegenüber allen Zufällen und Wechselfällen, die dieses innerweltliche irdische Dasein zur Verfügung hat. Es gibt daher für dich und für mich kein feiges Verstecken ins Wir, sondern [wir sind] je einzeln dem weit gespannten Himmel der Ewigkeit preisgegeben.

Christus ist die Antwort! Er ruft den Einzelnen aus den Verflechtungen des Nichts heraus. Er macht dich zur Ausnahme, Er weckt und schreckt dich heraus aus dem Gewimmel nichtiger Zufälligkeiten. Er, in Seiner Freiheit will deine Freiheit wecken, und in der Vereinigung Seiner freien Hingabe und deiner freien Bejahung und Hingabe, da ergibt sich die erhabene Notwendigkeit, die den Namen trägt: Katholische Kirche. Sie ereignet sich überall dort, wo der einzelne das Jawort der großen Frau nachspricht und in dieses ungeteilte Jawort einsteigt gegenüber dem Angebot: "Ich will nichts von dir, Ich will dich. Und du sollst nicht dies oder jenes von Mir erwarten, sondern Mich selber. Es soll sich eine absolute Einheit, ein Ineinander ereignen. Von dir in Mir. Und in Mir gehst du in deinem äußersten Tiefenbewußtsein auf, in Wonne grenzenloser Macht. Für alle Ewigkeit bist du bestimmt und für alle Ewigkeit bist du gedacht und von Mir gewollt." Und dazu bist du hierhergekommen, um dieses Bekenntnis abzulegen und diesen Entschluß zu bekräftigen und neu zu fassen – hier, wo Christus gegenwärtig ist, das fleischgewordene Wort des Vaters, in den der Vater Sich hineinspricht in die Welt.

Der Vater zeugt Seinen Sohn in die Welt hinein, daß der Sohn Mensch wird und dir in Raum und Zeit greifbar, hörbar, sichtbar begegnet, der Unendliche umhüllt Sich mit dem Kleid des Räumlichen, der Ewige stellt Sich dar in der Gestalt des Zeitlichen, so daß wir in der Zeit das Ewige gewahren und im Raum das Unendliche und Endgültige. Und in klaren, präzisen, ewiggültigen Formulierungen, die nicht uminterpretiert, die nicht geändert werden können, in diesen herrlichen Formulierungen wird dir die Wahrheit signalisiert: Im Dogma erkennst Du das Gesicht der Wahrheit. Hier bietet sich dir endgültig die Wahrheit an, wie das Gesicht eines geliebten Menschen, wie ein offenes Tor, durch das du nun einschreiten, hineingehen kannst ohne Bedenken, um drinnen, in der Wahrheit zu forschen.

Denn die Wahrheit ist uns endgültig geschenkt, so daß du und ich im Besitze der Wahrheit sind. Wir forschen nicht nach der Wahrheit. Ein katholischer Christ, der behauptet, er müsse sich der Wahrheit nähern und die Wahrheit erforschen, verrät Christus und die Kirche. Der katholische Christ weiß, daß ihm gnadenhaft, unverdienterweise die ganze weltumspannende, ewige, endgültige Wahrheit um seinetwillen, als sein herrliches Glück geschenkt ist, und nun geht er daran, immer tiefer sich einweihen zu lassen in die Wahrheit, er forscht nicht nach der Wahrheit, er sucht nicht nach der Wahrheit, sondern er sucht in der Wahrheit. Das ist das Kennzeichen des katholischen, des beglückten Christen, der eingebettet ist, gesichert ist im Ewigen und Endgültigen. Es ist die Schmach, die den offiziellen Raum der katholischen Kirche seit zwanzig Jahren besetzt, verschüttet, besetzt hält, daß man dort so tut, als dürfe oder müsse man gar gemeinsam mit anderen, die der Fülle nicht teilhaftig sind, auf die Suche gehen nach die Wahrheit. So etwas zu behaupten im offiziellen Raum der katholischen Kirche ist Gotteslästerung, und was heute den offiziellen Raum der katholischen Kirche besiegelt und kennzeichnet ist sakrilegische Einstellung, Verweigerung, die Verneinung gegen die Wahrheit, das Infragestellen der ewigen Wahrheit, so tun, als könne man die Wahrheit selber noch nicht erreichen, als stünden wir noch im Niemandsland, im hoffnungslosen, unverbindlichen, sinnlosen, nichtigen Niemandsland des Noch-nicht.

So wird heute getan im offiziellen Raum, wo diejenigen walten, die sich beschwichtigen und es wagen, das Wort "römisch-katholisch" in den Mund zu nehmen, wenn sie uns, dich und mich rügen, die wir an der zweitausend Jahre alten, einen Kirche festhalten. Uns rügen die, die von der Masse gekennzeichnet sind, die von der Masse leben, die von der bequemen, feigen Masse genährt werden und sich sattessen an der Behaglichkeit eines armseligen, schläfrigen, widerstandslosen Gewimmels, eines Miteinanders, einer lächerlichen Kommödie von Solidarität und Mitmenschlichkeit, die das Schicksal des Einzelnen ausklammert und dem Einzelnen keinen Atemraum läßt, auf die einzig gültige höchste Autorität einzugehen, die hier auf Erden repräsentiert, inkarniert, verwirklicht werden soll im Bischof, im Papst, der den Einzelnen vor die Frage stellt: "Willst du oder willst du nicht? Willst du dein ewiges Glück oder willst du das nicht? Wähle! Hier stehe ich in der Zuständigkeit des Himmels, in der Zuständigkeit Gottes. Hier verkünde ich dir, worauf du in deiner Freiheit ja oder nein sagen kannst." Das ist das Wesen der katholischen Kirche und nicht irgend ein Sammlungsunternehmen, ein fades, mürbes, langweiliges, inhaltloses, farbloses Gewimmel von alltäglichem Gebaren, wie es sich heute darstellt zur grenzenlosen Abscheu aller, die noch einen Rest von menschenwürdigem Anspruch in ihrer Seele bewahrt haben.

Wir wissen, daß jene unselige Versammlung in Rom von 1962 bis 1965, fälschlich "Konzil" genannt, nichts anderes war, als die offizielle Kapitulation vor dem Nihilismus des 20. Jahrhunderts. Sehen Sie – überall, wo eine Menschenseele sich aalt und wohlfühlt im Nebeneinander und Miteinander, umgeben vom Rechts und vom Links, eingelullt, eingehüllt in die Masse, dort wird in ihm [ihr] langsam ein Haß wach, ein Haß gegen alles Große, Edle, Erhabene und Schöne. Und eine ungeheure Liebe zum Gewöhnlichen, Platten und Banalen. Und es muß auch an dieser Stelle gesagt werden, auch im Zeichen der Blutzufuhr deines höchstnotwendigen demütigen Selbstbewußtseins, daß der offizielle Innenraum der Kirche zu einer behaglichen Wohnstätte geworden ist derer, die Lust am Banalen, Faden und Gemeinen und Gewöhnlichen haben. Eine behagliche Wohnstätte des Pöbelgeistes, das ist die präzise Wahrheit, das ist keine polemische Überspitzung, wie vielleicht einige Objektivitätsbeflissene und falsche Objektivitätsschablonen-Befallene meinen und wähnen mögen. "Da ist 'mal wieder dieser Rhetoriker, der sich gefällt in polemischen Ausfällen und Überspitzungen" – nein, wenn ich das sage, daß heute der offizielle Raum der katholischen Kirche präzise vom Geist dessen erfüllt ist, was seit eh und je im geistigen Raum als Pöbelgeist gilt, dann ist das eine haargenaue und treffende, wesensnotwendige und unersetzbare Kennzeichnung.

Die Besatzungsmächte, die freimaurerischen, die Papst und Bischöfe in ihrer Hand haben, die Bischöfe, die sich in Beschwichtigungen ergehen, die ihre Ruhe haben wollen und um ihrer satten Ruhe willen zu allen Mitteln greifen und vor keinem üblen Mittel zurückschrecken, wie wir es jetzt erst wieder erfahren dürfen, die haben ungeheuer wertvolle Gefährten – leider auch in den Kreisen derer, die treu zum althergebrachten Glauben halten. Das sind diejenigen, die meinen, man dürfte nicht so scharf sein, Objektivität sei immer gepaart mit einer milden, versöhnlichen und etwas sanften, moderierten und wohltemperierten Weise zu reden. Das sind die Leute, die offenbar niemals die Reden des Herrn im Johannesevangelium gelesen haben. Das sind die Leute, die niemals im Evangelium, in den Apostelbriefen genau hineingeschaut haben. Da finden sie nämlich keine lahme, lendenlahme, wohltemperierte, moderierte, tolerante, humane Sprache, so nach dem Karnevalsmotto: "Allen gut und niemand weh" – das ist nicht das Motto der Heiligen Schrift. Denn die tut weh, die schneidet und schlägt zu mit den stärksten Ausdrücken und was schwarz ist, ist schwarz, was pöbelhaft ist, ist pöbelhaft, was gemein gemein, was käuflich ist, ist käuflich, und was wahr ist, ist wahr, und was göttlich ist, ist göttlich.

So sagt der Herr in Seinen Streitreden mit den Juden: "Euer Vater ist der Teufel". Und keiner komme, der da antwortet und sagt: "Ja, Christus durfte das auch sagen, aber wir dürfen das nicht sagen." – Irrtum! Du machst es, wie dir's paßt: Einmal ist Christus das Vorbild, wenn du meinst, Er sei der allzu lahme, lammfromme, der sich alles gefallen läßt, der immer nur süße Flötentöne von sich gibt. Das ist eine böse Erfindung. Woher sie kommt, weiß ich nicht, aus dem Neuen Testament kann sie nicht kommen, denn dort steht Er mit hocherhobenen Haupte, mit äußerstem Anspruch, der Wehtuende, der Wehsagende, der durchaus schmerzlich Redende. Einer, den man heute einen Polemiker nennen würde. Das war Christus! Und Er ist uns hierin Vorbild. Christus ist uns in allem Vorbild, und wir haben kein Recht zu sagen: "Na ja, das konnte Er sich leisten, wir aber nicht." – Doch! Gerade derjenige, der im Namen des Herrn spricht, hat die Pflicht, im Namen des Herrn stark und polemisch denen die Maske vom Gesicht zu reißen, die unsere Todfeinde sind.

Denn unsere Todfeinde sind nicht die, die sich als solche klar zu erkennen geben. Unsere Todfeinde sind nicht diejenigen, die auf einer anderen Seite stehen. Das sind Feinde, gewiß, aber keine Todfeinde. Sie können dir und mir und deinem ewigen Schicksal nichts anhaben. Dein Todfeind ist auch nicht das Waldsterben, nicht die Umweltvergiftung und auch nicht die Atomgefahr, das alles ist nicht dein Todfeind.

Dein Todfeind ist derjenige, der im Namen des Herrn auftritt und nur das von Christus herausnimmt, was ihm paßt und das andere wegläßt. Oder der zahme Konservative, der die letzte Konsequenz meidet und der dir damit das letzte herrlichste Glück raubt. Denn das letzte herrlichste Glück besteht darin zu erfahren: Hier ist Autorität, hier ist vorgegebene himmlische Wirklichkeit, hier manifestiert sich, verwirklicht sich Gott im Fleische, im Papst, im Bischof, im Priester. Hier sagt Er das Wort, das allumfassende, das deine Seele erlöst, hier, vor dir, unabhängig von dir, dich nicht brauchend, erhebt sich groß, der menschgewordene Gott, der Seine Fleischwerdung fortsetzt im Getauften, im Gefirmten, aber unmittelbar im Priester – und nach dieser Autorität sehnt sich der Mensch. Und wenn jetzt einer tausendmal behauptet, er sei gläubig, aber dieses liturgische, sakrilegische Gewimmel im falschen Gehorsamswahne mitmacht, dann zerstört er und verwirrt er die Seelen und entfremdet sie ihrem wahren Glück und löscht in ihren Seelen die einzig beglückenden Fähigkeiten des Staunens, des Hinhörens und der Ehrfurcht aus – und das sind die Feinde.

Die sich als Feinde darstellen, die sind mir willkommen, ich kann mich mit ihnen sogar persönlich anfreunden. Mit ihrer Unbedingtheit sind sie mir sehr ähnlich. Ich werde sie sehr schnell heilen von ihrem Wahn. Aber die Halb-und-halben, die so tun als ob, die mit schleichenden Pantoffeln anrücken und mit zarten Handschuhen und nicht sagen, was zu sagen ist, mit denen kann ich keine Freundschaft schließen, die stören am meisten die Klarsicht und Wahrsicht, die nottut in unserer Zeit.

Was ist jetzt katholische Kirche? Das bist du, in dem sich der Herr verwirklicht. Kraft deines Jawortes, zum vorgegebenen entrückten Geschehen des heiligen Opfers dein Jawort zu den ewigen Wahrheiten, und dein Drang, sich in die ewigen Wahrheiten immer tiefer einführen zu lassen – das ist katholische Kirche. Es ist die Gegenwart und die Wirklichkeit des menschgewordenen Gottes selber und die Gegenwart der Menschheit, die in Maria ihr vollkommenes, ungetrübtes, ungebrochenes Jawort sagt. Das, immer gleichzeitig, in Zeit und Raum, jeweils immer gegenwärtig, das ist die katholische Kirche. Und wer, wie du und ich, dazu jasag[t]en, der repräsentiert und verwirklicht die katholische Kirche und ist mit Hinblick auf diese Repräsentation, auf diese Darstellung der katholischen Kirche der von Gott aufbewahrte und aufgesparte heilige Rest. Das bist du und das bin ich hier – heiliger Rest.

Die [Wer] sich aber von der vollkommenen Wahrheitsfülle abspalte[t]n, die die Gegenwart der absoluten Wahrheit, des göttlichen Opfergeschehens im heiligen, sakralen, entrückten Raum, in der himmlischen tagentzogenen Atmosphäre ablehnt und stattdessen ein kollektivistisches Gewimmel macht, ein[en] ökumenistischen Betrug, der ist Sekte, weil er abspaltet.

Im offiziellen Innenraum der Kirche ist die Kirche seinshaft da, die Kirche, verdeckt, verhüllt, besetzt, belagert, entstellt, verfälscht von ihren vorübergehenden Besatzungsmächten, die das Heft in der Hand haben, bis die Wende kommt. Aber für diesen Augenblick der Wende hat der Herr sich eine kleine Zahl erwählt, die dazu da ist, der Menschheit das wahre Gesicht der katholischen Kirche zu zeigen, bis der heißersehnte Tag, das große Datum anbricht. Und dieser heilige aufgesparte, aufbewahrte Rest, der mit brennender Sehnsucht auf das unteilbare, eine Datum hinschwankt, der ist hier gegenwärtig. Der ereignet sich in dieser Stunde und an diesem Ort.

Jede andere Sicht ist falsch. Und ich sage, dort in diesem besetzen Raum ist die Kirche seinshaft da. Wie auch der besessene Mensch ja noch der Mensch ist, nur durch ihn spricht ein anderer. Wie auch der entstellte Mensch noch Mensch ist, wenn er sich auch seiner Würde beraubt hat. Dort, im offiziellen Raum der Kirche, ist die Kirche da, aber was die Offenbarung und Verwirklichung ihres Wesen betrifft, so ruht sie und ist nicht präsent und erkennbar im offiziellen Raum der Kirche.

Und wenn einer behauptet: "Ja aber du darfst nicht so radikal sein, zum Teil erkennt man sie doch" – dann hast du dich schon in einen sehr antikatholischen Widerspruch verwickelt. Denn "Teil der Wahrheit" ist ein innerer Widerspruch. Teilwahrheit ist dasselbe wie Irrtum. Wahrheitsfülle ist ein Pleonasmus. Zur Wahrheit gehört die unteilbare Fülle. Wer nur ein bißchen oder einen Teil oder einen Großteil von der Wahrheit hat, der hat eben die Wahrheit ganz und gar nicht, und es wäre besser für alle, wenn er wenigstens bekennen würde, daß er der Wahrheit widerspricht. Wir können nicht mit solchen uns zusammen tun, die einen Großteil der Wahrheit akzeptieren. Dadurch, daß sie einen noch so großen Großteil der Wahrheit akzeptieren, verneinen sie eben die Wahrheit total, denn die Wahrheit ist ganz oder gar nicht – das ist die Gewißheit.

Und darum muß die Welt uns hassen, weil wir im Angesicht der Welt als anmaßend gelten müssen – wehe uns, wenn uns die Welt nicht für anmaßend halten muß! Wir müssen vor ihr auftreten mit dem endgülten, ewigen, göttlichen Anspruch, und die Welt muß sagen wie bei Christus: "Er ist doch nur ein Mensch, was bildet er sich denn ein? Er vergibt Sünden, er behauptet, im Namen des Herrn zu sprechen und selber Gott zu sein, 'ehe Abraham ward, bin ich', weg mit ihm, wir können einen solchen Anspruch in unserer gemütlichen, solidarischen Menschheitsfamilie nicht vertragen, weg mit ihm, ans Kreuz mit ihm, wir wollen den göttlichen Anspruch nicht hautnah in unserer Mitte haben. Wir sagen ja zu gewissen Wahrheiten auch ja, aber bitte etwas Distance, nicht so direkt, nicht so total, nicht so brutal und unmittelbar, sondern immer etwas mit ironischer Distance und tausend Fragezeichen, das tut nicht weh." Und in diesem Sinne haben sich viele zusammengetan, die nicht wehtun, die nicht gehaßt werden, die nicht als anmaßend gelten vor der Welt.

Wir aber nehmen, du und ich, es auf uns, als anmaßend zu gelten. Wehe uns, wehe dir, wehe mir, wenn dich, wenn mich die Welt nicht haßt und wenn wir nicht ungeschützt vor den Millionenhaufen der sinnlos Lebenden als Anmaßende und Hassenswerte verfolgt und gehaßt werden! Darum zieht die Glacéhandschuhe aus, zieht die weichen Pantoffeln aus, sagt klar: "Du bist im Irrtum. Du mußt herübergeholt werden, dort[hin] wo unverdienterweise ich hingestellt bin. Und wo ich hingestellt bin, da ist die Fülle, weil Gott da ist mit Seinem ganzen Anspruch. Wo aber dieser Anspruch entschärft wird und als billige Ware verkauft wird, wo man meint, so'n bißchen vorsichtig sein zu müssen, dort ist Sekte. Aber hier, wo der Anspruch vermeldet wird, ist die katholische Kirche aufbewahrt und aufgespart in ihrem gültigen Erscheinungsbild durch die, die nicht kapituliert haben. Das ist das, was wir diesem Jahrhundert, dem Nihilismus dieses Jahrhunderts, vor allem unseren Todfeinden, den Halb-und-halben, entgegenrufen und entgegenschleudern, mit dem brennenden Wunsch, das Schicksal des Herrn zu teilen, gehaßt zu werden von der Welt, gehaßt zu werden von den allermeisten. Und wir sagen es: "Halte du mich für anmaßend, ich behaupte, im Besitze der vollen, ewigen, gültigen, beglückenden Wahrheit zu sein. Wenn du mich deswegen steinigst, dann steinige mich, aber hier bin ich und hier stehe ich, und das ist die katholische Kirche, das ist der Rest. Und die Menschheit, ohne es zu wissen – die Menschheit jetzt mal im uneigentlichen Sinne gebraucht, eben der Zahl, der Masse – diese Massen, Lebewesen, die dahertaumeln in ihrem sinnlosen Dasein, ahnen gar nicht, daß sie von schlimmsten Katastrophen nur deshalb bis jetzt bewahrt sind, weil es diesen Rest gibt. Und als Rest sind wir hier, als Rest, als heiliger, verheißungsvoller, zukunftsträchtiger, zukunftsmächtiger, ewigkeitssicherer Rest ziehen wir erhobenen Hauptes, demütig im Bewußtsein unserer Unwürdigkeit, aber stolz im Bewußtsein unseres Beschenktseins durch die Straßen und zeigen der Welt das einzige, das wahre Licht mit dem Sinnbild unserer Lichter.