Meine lieben Brüder und Schwestern,
Epiphanie – Aufstrahl der Herrlichkeit des Herrn. Wenn Sie nach dem Wesen der Kirche fragen, dann ist das die Antwort: Epiphanie. Es ist die präzise, unersetzbare Antwort: Aufstrahl der Herrlichkeit des Herrn. Wer je die Kirche erfuhr, erfuhr sie in diesem Zeichen. Wer je ihrer ansichtig ward, um in sie einzutreten, um von ihr aufgenommen zu werden, der war ergriffen von dem, was mit dem Wort "Epiphanie" ausgesagt ist. Es ist schwer zu ersetzen. Das Wort "Erscheinung" ist unglücklich und schwach und blaß gegenüber dem, was mit dem Wort "Ephiphania" gesagt ist. Vielleicht sind noch die besten Worte "Aufstrahl", "Leuchten", "Erleuchten", das Aufgehen des Herrn über uns und in uns in der Finsternis dieser Welt, in der Ausweglosigkeit, in der Wirrnis, im Vielerlei, im Geschwirre und Gewirre der Meinungen und Ansichten, Theorien und Überzeugungen, Ideologien. Mitten in all diesem Vielerlei leuchtet das Endgültige, Einzige, Unwiderlegbare, Unvergleichbare, Konkurrenzlose, Parallelose auf, das aus den ganz anderen Dimensionen kommt, das Unvergleichbare – die Souveränität. Das ist das andere Wort, das Epiphanie am nächsten kommt: "Souveränität", "Erhabenheit" – und zwar nicht irgendeine, sondern die Erhabenheit schlechthin. Und wer aus dieser Welt stammt und wer mit den Dingen dieser Welt vertraut ist, wer nur aus sich selber denkt, aus sich selber entscheidet, nach dem urteilt, was er wahrnimmt, in seinem ganzen Dasein gebannt ist ins Rechts und Links, ins Vorne und Hinten, in das Koordinatensystem der Gesetzmäßigkeit und Erfahrung, der wird, wenn er der Kirche gewahr wird, mit einem Schlage gelöst aus den Bindungen, aus den Verstrickungen des Hierseins, hinaufgehoben, herausgeweckt. Deshalb heißt die Kirche "die Herausgerufene", "Herausgelöste", "Erlöste", "Herausgeweckte", "Befreite", aus den Bindungen des Diesseits, aus den Gegebenheiten und Bedingungen von Zeit und Raum herausgenommen ins ganz andere.
Übrigens: Von daher wird schon deutlich, daß eben jene Versammlung von 1962–1965 kein gültiges ökumenisches Konzil sein konnte, weil das Thema, das Vorzeichen, unter dem diese Versammlung einberufen worden ist, dem Wesen der Kirche diametral, kontradiktorisch entgegengesetzt war. Wenn ein Konzil, eine Versammlung – "Concilium" heißt ja "Versammlung", insofern kann man das Wort nehmen; aber es war kein gültiges, ökumenisches Konzil im kirchlichen Sinne –, wenn eine solche Versammlung antritt unter dem Zeichen "Wir wollen uns der Zeit gemäß verhalten", dann ist das entweder eine Binsenweisheit, derentwegen es nicht der Einberufung eines ökumenischen Konzils bedarf: Daß man nämlich so predigen soll, daß es die Menschen verstehen können, daß man die Verkündigung so einrichten soll, daß sie auf die Zeit heilend wirkt, daß sie also die Heilsmittel einbringt, die die Zeit braucht, die die Zeit vermißt, die der Zeit fehlen. Denn die Zeit ist ja für sich gesehen eine Variante des Nichts. Wenn man unter ihr versteht die Summe aller Schicksale, Gegebenheiten menschlicher Gedanken und Leistungen und Leiden und dessen, was die Menschen hervorbringen und tun, was sie befällt und was sie vollziehen, also das, was die Dauer, welche die Zeit ist – eine Dauer, die körperlichen Wesen anhaftet –, was nun diese Dauer an menschlichem Tun und Erleiden anfüllt: dann ist sie ein Patient. Und dieser Patient muß geheilt werden. Und die Verkündigung hat immer eine ärztliche Funktion. Sie hat den Patienten "Welt" und den Patienten "Zeit" zu heilen. Also muß sie gerade das bringen, was der Zeit fehlt! Das ist eine Binsenweisheit, das ist eine Selbstverständlichkeit! Wenn jetzt das Konzil einberufen worden wäre mit dem Ziel, die Krankheitserscheinungen dieser Zeit festzustellen, eine Diagnose zu liefern, um die Therapie zu beschreiben, dann wäre das selbstverständlich legitim gewesen. Daraus wäre dann ein ökumenisches Konzil geworden, ein pastorales, ökumenisches Konzil. Aber stattdessen hat man das ja ganz anders gemacht. Stattdessen hat man die Zeit nicht als Patienten behandelt, sondern die Zeit als ein Vorbild hingestellt, die Menschen dieser Zeit, die Welt, die wir vorfinden, als etwas höchst Positives, aus sich selbst Verheißungsvolles, Dialogfähiges, als einen dialogfähigen Partner, dem man sich anzupassen hätte. Und das hat selbstverständlich die Ungültigkeit dieser Versammlung bewirkt. Sie war eine Versammlung, aber kein ökumenisches Konzil, weil dieses Konzil hinter einem antichristlichen Vorzeichen stand; nämlich sie setzte voraus, daß es einen Fortschritt der Menschheit gibt und daß sich die Kirche dem Fortschritt der Menschheit und der intelligenter gewordenen, reifer und mündiger gewordenen Menschheit anzupassen hätte. Und dieser teuflische Unsinn und Irrsinn konterkariert selbstverständlich das Zustandekommen eines gültigen Konzils!
Die Kirche muß auftreten mit dem Anspruch, einmalig zu sein. Die Kirche kommt und tritt vor die Welt hin und sagt: "Ich bin es! Ich komme aus den anderen Dimensionen. Wer aus der Welt ist, kann mich nicht verstehen. Nur der in sich den Rest der Sehnsucht nach dem einen und einzigen, was not tut, bewahrt hat, der wird mich verstehen, derjenige, der 'guten Willens' ist." Und "guten Willens" ist derjenige, der sich nach dem sehnt, der seine Sehnsucht erfüllt. Und die Sehnsucht, das weiß er, geht ins Grenzenlose. Er gibt sich nicht zufrieden mit einem fernen Gott, der das Gute belohnt und das Böse bestraft. Wenn das genügen würde, dann wäre die Sehnsucht Israels nach einem Erlöser eine völlige Sinnlosigkeit gewesen! Es gibt immer wieder Menschen, die sagen, es genüge zum Heil die Annahme eines lohnenden und strafenden Schöpfers, eines Schöpfers, der Vergeltung übt an dem, was der Mensch tut. Wenn das wirklich genügen würde, dann könnten wir gemeinsame Sache machen mit den alten Juden und mit den Mohammedanern. Das ist eine Irrlehre. Innerhalb eines Konzils kann selbstverständlich das eine oder andere Falsche stehen, obwohl es ein gültiges ökumenisches Konzil ist. Solange es nicht dogmatisiert ist, kann das eine oder andere drinstehen, was falsch ist. Wenn z.B. in irgendeinem Konzilstext steht, "es genüge zum Heil, es sei bereits heilbringend, daß ein Mensch die Existenz eines vergeltenden Schöpfers anerkennt", dann ist das ein totaler Irrtum, ein das Unheil des Ökumenismus gewährender Irrtum, mit dem wir nichts zu tun haben. Nur: Wenn das Ganze hinter ein falsches Vorzeichen tritt, ist das Ganze falsch!
Nein. Was die Sehnsucht aller Zeiten ist, eben jener Rest, an den Gott anknüpft, um die Welt wieder zu retten, ist eben unendlich mehr als das Wissen: da gibt es einen Gott, der mich belohnt, wenn ich Seine Gebote halte, und der mich bestraft, wenn ich sie nicht halte. Das ist die Sehnsucht nach dem nahen Gott, nach dem Gott, der da erscheint, der da kommt, der hier in diese an Raum und Zeit, ans Kommen und Gehen, ans Vergängliche ausgelieferte Welt hineinrammt das Ewige; der in der Gestalt von Raum und Zeit das verkündet, stabilisiert, fixiert, realisiert, vergegenwärtig, was über Raum und Zeit hinausweist ins Unendliche! Wir wollen hier, hier mitten in dieser Welt den wahrnehmen, der Selber nicht eine Wahrheit ist, sondern die definitive Wahrheit! Wir wollen hier in Raum und Zeit schauen und hören, riechen, schmecken und tasten den fleischgewordenen Gott – Gott, der Sich im Wort ausspricht, im Menschenwort ausspricht und in Menschengestalt zeigt, den greifbaren, gleichzeitigen, den in Raum und Zeit erscheinenden, über Raum und Zeit hinausweisenden! Das in Raum und Zeit überräumliche und überzeitliche, konstituierende, ewige Sein: das erschauen, das hören, das vernehmen – das will ich! Der das will, den nahen Gott will, der hat den "guten Willen". Wer aber Gott gefallen will, sich bei Gott ein rotes Röckchen verdienen will durch besonders gehäufte Leistungen und meint, dadurch einen besonderen Ausweis zu haben, um bei Gott gut anzukommen und vor Gott zu bestehen, der ist verloren! Er ist verloren, weil er sich einbildet, aus sich vor Gott bestehen zu können. Das ist der größte Frevel! Darum bekämpft Christus den Frevel der Pharisäer, die sich begnügen wollen mit ihrer eigenen Leistung, um durch ihre Leistung vor Gott bestehen zu können. Die sind der Verdammung verfallen – während die Sünder, die aus ihrer Sünde herauszukommen trachten, in denen die Sehnsucht glüht und brennt nach dem, der sie herausholt aus ihren Verstrickungen, von Christus nicht den Hauch eines Tadels erhalten, sondern sie werden in die Arme genommen, tief innig umschlossen: "Du bist Mein Bruder. Du bist Mein Freund." Und jeder, der weiß, daß er in raumzeitlicher Verstrickung des erlösenden, einbrechenden, die Verstrickung lösenden Gottes bedarf, des erscheinenden Gottes bedarf, Seines Aufstrahls, der mag stehen, wo er will, der mag in der äußersten Verlassenheit, Verlorenheit, im Tunnel tiefsten, gemeinsten Sumpfes stecken: Er braucht keinen Schritt zu gehen; er hört die Stimme der Liebe: "Ich bin schon längst bei Dir. Dort, wo Du bist, da bin Ich. Schau hin, Ich bin der Erbarmer. Willst Du Mein Erbarmen?" – "Ja, Herr, ich will!" – Mehr bedarf´s nicht. Sofort verwandelt sich der so Wollende aus dem, der den letzten Platz in der äußersten Finsternis selbstverschuldet einnimmt, in einen König und Herrn im König und Herrn.
Das ist die Botschaft des in die Finsternis einbrechenden Gottes. Selig der, welcher einsieht, daß er aus der Finsternis herausgerufen werden muß! Unselig der, der wähnt, er sei nicht in der Finsternis, weil er ja doch ein "anständiger" Bürger sei, weil er des Erbarmens nicht bedürfe und weil er ja vor Gott, außerhalb Gottes, kraft seines eigenen Tuns bestehen könne; unselig der und der Verdammung anheimgegeben, rettungslos anheimgegeben – der! Hier, hier ist der Unterschied zwischen dem "guten" Willen und dem "bösen" Willen. Nicht derjenige, der mehr sündigt als der andere, ist der Schlechtere, sondern jeder, der will, daß Gott ihn herausreißt, jeder der weiß, daß er das verlorene Schäflein ist, das aus dem Dornengestrüpp herausgelöst werden muß, der ist gerettet! Wer aber meint, zu den "neunundneunzig Gerechten" zu gehören, die es nicht gibt, der ist seinem Wahn verfallen und dem Nichts und verloren, verdammt! Denn die "neunundneunzig Gerechten" sind eine ironische Bemerkung des Herrn über etwas, was es nicht gibt. Die "neunundneunzig Gerechten" gibt es nicht! Und derjenige, der meint, er könne bestehen, der hat den "schlechten" Willen. Das ist das Gericht.
Hier setzt der Glaube ein. Der Glaube ist nicht der Glaube an einen Gott, der existiert und der mich nach meinen Taten belohnt oder bestraft. Wenn das so wäre, dann hätte Christus nicht zu kommen brauchen. Dann wäre die Menschwerdung Gottes ein müßiges, überflüssiges Unternehmen gewesen. Aber ich brauche den Gott, der mich will, der nichts von mir will, sondern mich! Und da sagen die einen "NEIN", weil es ihnen peinlich ist, daß Gott ihnen so nahe kommt; die wollen ihren Eigenraum bewahren und Gott das Seine geben und abliefern und nicht sich selbst Gott geben. Sie erwarten etwas von Gott, nämlich entsprechende Belohnung, aber sie erwarten nicht Gott. Hier und hier allein liegt der Unterschied.
Das ist also die Epiphanie: Epiphanie – Aufstrahl des Endgültigen, Ewigen, Unendlichen, Souveränen, Unangreifbaren, Unwiderlegbaren, Unerreichbaren mitten in der Zeit, um von dem, der da kommt und strahlt, aufgenommen zu werden. Denn Sein Strahlen, das Licht, ist Liebe. Und wen meint Er mit dieser Liebe? – Dich, ungeteilt Dich, Dich ganz allein, nur Dich! Dieses große "Nur Dich", das befähigt Dich erst, in jedem anderen, der Dir begegnet, eben auch das große "Nur" zu erkennen. Und allein das Bewußtsein "Ich bin das 'Nur', dem Gott gehört", befähigt mich zu jener wahren, totalen Liebe, die in jedem je Einzelnen auch dieses unteilbare "Nur" begrüßt und ehrt, dem Sich Gott ungeteilt weiht und schenkt. Aus dem Bewußtsein der totalen Einzelhaftigkeit – Gott und die Seele, sonst nichts – erwächst erst die Möglichkeit der wirklichen Liebe zum je begegnenden DU, weil ich in diesem DU auch den sehe, dem Gott ungeteilt und ausschließlich gehört und Sich schenkt. Das Wort "Wir", das Wort "Miteinander" sind feindliche Worte, weil dadurch die Liebe Gottes und der Aufstrahl Gottes verteilt wird auf eine Zahl, auf ein Kollektiv. Aber der Sich verteilende Gott ist ein viereckiger Kreis, ein innerer Widerspruch. Gott ist unteilbar! Und wenn Gott Mensch wird und wenn Gott alle Tiefen durchmißt, um die Gottesferne zum Instrument Seiner Liebe zu machen, um das, was die Sünde anrichtet, die Finsternis, das Leiden zum Instrument erlösender Befreiung zu machen, dann ist auch dies etwas, das nicht geteilt werden darf und jedem je Einzelnen gehört. Und gerade dies gehört jedem je Einzelnen. Und gerade dadurch wird jeder je Einzelne in seiner Einzigartigkeit, Einmaligkeit, Unaustauschbarkeit, Unersetzbarkeit begrüßt und entdeckt, bestätigt, geweckt.
Das ist das Neue. Das ist das Erlösende. Das ist das große Licht, das in die Finsternis kommt. Ich bin nicht mehr irgendeiner unter Milliarden. Ich bin nicht ein X, ein Y. Ich bin kein "Auch" und kein "Außerdem", ich bin kein "Mit" und kein "Neben anderen", ich bin kein "Und", sondern ich bin alles in Ihm. Und aus diesem ungeheuren Selbstbewußtsein ergibt es sich, daß ich dem Geltungsbedürfnis entsagen kann. Ich kann unbekümmert bescheiden sein, weil ich im Besitz des Ganzen bin. Weil ich den höchsten Reichtum habe, brauche ich nicht mehr aufzubegehren. Erst daraus ergibt sich die Möglichkeit, bescheiden zu sein und zu dienen. Der Herr, der König, der Herr über alles, der Unangreifbare kann durch nichts beleidigt werden. Er kann verzeihen. Er kann seinen Todfeind umarmen. Er ist der Freund aller. Er ist derjenige, der in seiner Seele die Allversöhnung verwirklicht, weil er der Reichste ist, der Herrscher über alles. Und wenn Gott ihm gehört, gehört ihm erst recht die ganze Schöpfung. Alles ist Dein, ungeteilt Dein, auch die ganze Schöpfung. Sonne, Mond, Sterne leuchten Dir. Jeder Bach rauscht und murmelt zu Dir. Jeder Vogel singt zu Dir. Jeder Strom, alle Meere wogen und weben und leben zu Dir hin, um Deinetwillen, für Dich, wollen Dich, meinen Dich. Du bist die Mitte der ganzen Welt! Das ist das, was Christus bringt. Er erhöht den Einzelnen in einer so gewaltigen Weise, daß der Einzelne aus seiner absolut unangreifbaren Sicherheit heraus erst selbstlos, demütig, bescheiden, hingegeben, selbstvergessen, liebend und ehrfürchtig sein kann. Erst daraus ergibt sich dieses Vermögen der Hingabe. Erst aus dem ICH ergibt sich das DU. Erst aus der Selbstliebe ergibt sich, daß der Einzelne Nächster sein kann. In dem Maße, wie Du Dich selbst liebst, kannst Du den anderen lieben. Das ist die ungeheure Botschaft, das ist die Epiphanie.
Zunächst einmal: Er kommt und gibt uns das Seine, die Gestalt Seiner Herrlichkeit. Er schafft entrückte Räume, entrückte Zeiten, in denen sich der Himmel schon ahnend kundgibt, in der schon der Vorhang gelüftet wird ins Jenseitige. Das ist die Opferliturgie. Ich sprach kürzlich davon. Die Opferliturgie ist ein Wesenselement der Epiphanie: Ich schaue die Herrlichkeit. Von daher erübrigt es sich, über die neue Liturgie der Messe überhaupt nur ein Wort zu verlieren. Ein katholischer Christ hat mit der Neuen Messe nichts zu tun. Sie ist das antichristliche Gegenteil! Wer die Messe als eine Gemeinschaftshandlung, als ein Miteinander, als etwas Gemeinsames, als ein gemeinsames Tun degradiert, der leugnet die Epiphanie; der vollzieht den teuflischen Totalangriff gegen die Epiphanie! Denn die Epiphanie bedeutet: Es ist vorgegeben, es ist entrückt, es ist unabhängig, es erhebt sich, und der je Einzelne entdeckt es und gibt sich hin. Niemals kann die Liturgie ein gemeinsames Tun sein. Das ist das Antichristliche in sich – indiskutabel!
Dann die Lehre: Die Verkündigung muß so sein, daß die Wahrheit in ihrer Herrlichkeit sich öffnet und dem Einzelnen durch die Verkündigung gesagt wird: "Komm! Öffne Deine Augen! Nimm Ihn auf, Er will Dich! Schau die Herrlichkeit! – 'Sion auf, werde Licht.'" Und der Einzelne wird auf das Eine gerichtet, was not tut. Und dann kommt erst, im sich ergebenden "Danach", selbstverständlich und automatisch die Mitteilung der Moral, das was sich daraus ergibt: die Bemühung, den Interessen Gottes zu entsprechen. Denn ich bin ja der Freund, ja ich bin organisch verbunden mit dem, dessen Interesse es ist, daß der Vater verherrlicht wird im Menschen. Wie kann ich dann also, von diesen Interessen, von den Interessen des Gesetzgebers erfüllt, etwas anderes tun als hundertmal mehr gegenüber einem bloßen Befehlsempfänger! Der Christ, der die Wahrheit erkannt hat und in Christus lebt, der die Liebe begriffen hat, die an ihm vollzogen wird, und dieses unendliche Erbarmen mit seinem Dasein erwidern und beantworten will, es bleibt ihm ja gar nichts anderes übrig: Er wird tausendmal mehr tun als einer, der strammsteht und ein Befehlsempfänger der Gebote ist! Der Christ ist nicht mehr Befehlsempfänger der Gebote, sondern er ist auf Seiten des Gesetzgebers selbst, und die Interessen des Gesetzgebers sind seine Interessen. Darum sagt der hl. Augustinus: "Liebe, und dann tu, was Du willst! – Ama et fac, quod vis!" Und das andere Geschenk ist eben aufgegeben für den Tag. Es offenbart sich in dem Christen, der in den anderen Menschen eingeht, sich in den anderen Menschen hineinversetzt. Denn dadurch, daß Gott in mich einströmt – Er in mir und ich in Ihm – und ich in der Allgewalt Gottes lebe – "Alles vermag ich in dem, der mich stärkt" –, vermag ich dienend, weil ich ja Allherrscher bin in Christus, König bin in Christus, vermag ich in den anderen liebend, ehrfürchtig einzudringen und vom anderen her zu denken, von mir wegzudenken und mich in den anderen hineinzuversetzen. Wie Christus Sich in dich und mich, in deine und meine Gottesferne, Verlorenheit, Verstricktheit, Sündhaftigkeit hineinversetzt hat und hineingegeben hat, für Dich und für mich zur Sünde geworden ist, so versetzt du dich in den anderen und bist ihm bedingungsloses, vorbehaltloses, unvoreingenommenes DU, ein unvoreingenommener Freund.
Das ist die andere Epiphanie, die doppelte Epiphanie des Gottmenschen: Indem Er einmal uns Seinen Sieg und Seine göttliche Herrlichkeit gibt, und das andere mal, indem Er die Verlorenheit, die Dunkelheit, Not und Tod und ungerechtes Schicksal der Welt Sich selbst zu eigen macht und annimmt und damit uns nicht vom Leiden erlöst, sondern das Leiden erlöst. Wir bleiben Sünder. Aber durch unsere Sündhaftigkeit und Armseligkeit hindurch kommt die Allgewalt des erbarmenden Gottes zur Vollendung mitten im blassen und grauen Tage. Das sind die Dimensionen der Epiphanie. Das Wort "Erlösung" ist dasselbe wie das Wort "Epiphanie", "Souveränität", "Thronerhebung". "Sei getrost, Ich bin's. Fürchte dich nicht." – "Aber Herr, ich bin doch so ein Sünder und so armselig." – "Preise Deine Armseligkeit und Deine glückliche Schuld, denn sie ist der Magnet, der Mein Erbarmen anzieht. Du bist erlöst! Komm Seele, richte dich auf, denn Ich bin es, der dich weckt." Der Wecker kam. "Hörst Du Meine Stimme? Fürchte Dich nicht. Ich bin's."
Das ist das ganz andere, das ganz Neue, das uns total und radikal von anderen unterscheidet. Und ich möchte es manchem sagen, der fromm sein will und immer nur um den Gedanken der Gesetze und der Werke und seiner eigenen Leistung kreist – den will ich warnen: Hüte dich vor allem, was dich mit denen ähnlich macht, die noch nicht erlöst sind; hüte dich vor allem, was dich in Stand setzt, mit einem Mohammedaner oder einem alten Juden verwechselt zu werden! Zeige es, daß du strahlst und ausstrahlst die ganz andere, die ganz neue Liebe – Ihn selber, den totalen Gott des totalen Erbarmens und des Lichtes! AMEN.