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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Milch

1. Fastensonntag (Invocabit) 1980

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

der hl. Johannes sagt: "Habt nicht die Welt lieb noch was in ihr ist. Denn alles, was in der Welt ist," – Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens – "stammt vom Vater der Lüge."

Das widerstreitet dem Geiste und kommt nicht von Gott. Wir müssen eine Wahl treffen, täglich neu. Und wir tun uns schwer mit dieser Wahl. Und darum müssen wir diese Wahl ständig erneuern und wiederholen und uns nicht einbilden, es genüge ja schwere Verbrechen und auffällige Vergehen zu meiden. Auf die innere Einstellung kommt es an!

Fleischeslust

"Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jeglichem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt": Wir müssen uns diesem Wort stellen. Lebe ich vom Wort, das aus dem Munde Gottes kommt? Ist mein Bewußtsein täglich darauf gerichtet, die Nahrung aus dem Munde Gottes zu empfangen? Darum beten wir im "Vater Unser": "Unser tägliches Brot gib uns heute." Damit ist dieses Wort gemeint. Das heißt: Ist mein Interesse geweitet nach oben hin, in die andere Dimension? Erwarte ich Nahrung meines Geistes aus den Bezirken des Übernatürlichen und des Himmlischen? Halte ich das für konkret und wirklich oder – Hand aufs Herz, halt Dir den Spiegel vor's Gesicht – ist mir das Himmlische und das Religiöse, solange es eine festliche Garnitur ist und ein angenehmes Gefühl erzeugt, angenehm? Und wenn es hart auf hart kommt, wie ist es: Bin ich dann einer von denjenigen, die mehr oder weniger bewußt sagen oder denken "Na ja, alles schön und gut. Aber jetzt wollen wir mal vernünftig sein. Jetzt geht es ja um die Wirklichkeit."? Und die Wirklichkeit ist dann das, letztlich das, was man sieht und hört.

Da muß man ehrlich mit sich umgehen. Das gehört zur Bekehrung. Wir müssen uns alle laufend bekehren, alle laufend Buße tun. Das Gefährlichste ist zu es sagen: "Na ja, ich glaube ja. Es ist alles gut. Was willst Du denn von mir. Ich lebe doch anständig. Wenn doch alle so wären wie ich! Was willst Du denn noch?" – Halt Dir den Spiegel vor's Gesicht! Es geht um die Einstellung, die Grundgesinnung, die Haltung: kurz um den Glauben!

Es war eine echte Versuchung. Es war kein "Als-Ob". Christus wurde ganz Mensch. Und was Er da auf dem Berge erlebte nach seinem vierzigtägigen und vierzignächtigen Fasten, das war Versuchung! Und Er sagte NEIN, obwohl alles in Ihm schrie unter dem Einfluß, unter dem Magnetismus des satanischen Angebotes. Alles in Ihm schrie: "Sei doch nicht so dumm! Kannst du dir doch leisten! Warum nicht? Es geht doch ums Konkrete. Wer gibt dir denn was, wenn du nicht satt bist? Da nutzt dir kein Pfarrer, kein Priester, kein Sakrament. Hunger tut weh! Also erstmal vernünftig sein, erstmal ran." – Und das war so mächtig, und Er sagte NEIN! Dieses, der Versuchung zu widerstehen, ist wie ein Griff ins Leere. Man scheint ins Nichts hineinzufassen. Man hat keinen Trost dabei, gar nichts, sondern nur: "Ich habe verzichtet. Ich habe mir eine Gelegenheit entgehen lassen – aber: ich wollte sie mir entgehen lassen!" Es wird im Buch der Weisheit gesagt: "Er konnte sündigen, und Er sündigte nicht." Jeder frage sich selbst. Das ist die Fleischeslust.

Hoffart des Lebens

Die Eitelkeit, der Geltungstrieb, die Sensationslust gehören dazu. Es gibt Menschen, deren Glaube ist schwach. Die meinen zwar ungeheuerlich zu glauben, aber im Grunde glauben sie schlecht, weil sie ständig einen Kitzel brauchen. Es muß was geschehen. Ohne Visionen, besondere Erscheinungen, ohne besondere Wunder, Taten, Termine, Warnungen, besondere Zeichen am Himmel geht es nicht, ist es viel zu langweilig. Also muß was herbei: Botschaften, besondere Stimmen, seltsame Zwischenfälle, geheimnisvolles Säuseln durch die Luft, nächtliche, tägliche Anblicke außergewöhnlicher Art. Es muß jedenfalls in der Luft knistern nach allen möglichen Absonderlichkeiten. Der Alltag muß durchbrochen werden, sonst ist es zu langweilig!

Das erlebt man gerade in Krisenzeiten, daß Leute nach Absonderlichem und Außergewöhnlichem haschen, gerade im Religiösen. Da schießen die Erscheinungsorte wie Pilze aus der Erde. Überall erscheint irgendein himmlisches Wesen und sagt dies und sagt jenes. Meistens, wenn man's dann liest, sind es Dinge, die man auch so weiß, die in der Heiligen Schrift tausendmal besser stehen, in jedem Dogma unendlich viel sicherer dokumentiert sind – und in jedem Sakrament ist die übernatürliche Gegenwart unendlich dichter als bei tausend Erscheinungen!

Aber es gibt Menschen, die es ohne Erscheinungen nun mal nicht machen. Und da stimmt was im Glauben nicht! Unser Glaube, unsere Christusverbundenheit bewährt sich darin, daß wir den langweiligen, miesen Alltag tapfer und täglich durchstehen, durchbeißen, von morgens bis abends Arbeit, immer wieder neu anfangen, immer wieder im selben Ärger, im Erleben der eigenen Schwäche. Denn es ist kein Honigschlecken. Wir sind nicht geboren, um hier auf Rosen gebettet zu sein – wir sind geboren, um teilzunehmen am Kreuz des Herrn! Nichts anderes ist uns für diese Erde verheißen, als daß wir in den sauren Apfel zu beißen haben, ungerechte Schicksale ertragen. Wir sehen ringsum Ungerechtigkeit. Und das Gute wird keinesfalls auf Erden belohnt, und das Böse wird weithin keineswegs bestraft. Für diese Erde ist uns nichts verheißen als das Kreuz! Und das schwerste Kreuz ist diese tägliche Langeweile, das, was dich sauer werden läßt. Und auch das Gebet ist meistens nicht etwa ein Schwimmen und Sich-Aalen in außergewöhnlichen Gefühlen, in Tröstungen und inneren Anregungen, sondern das Gebet muß auch dem Widerstand träger Stimmung abgerungen werden. Meistens ist das Gebet ein "Trotzdem-Beten".

Kreuz, Kreuz, Kreuz – und dann leben wir in Christus! Das ist der sicherste Beweis, daß wir mit Ihm verbunden sind! Alles andere Wollen ist ein Abweichen, Weglaufen vor sich selber, Weglaufen von dem Platz, auf den man gestellt ist. Hier hast du das Deine zu tun. Was jetzt in diesem Augenblick ganz konkret getan werden muß, wenn es auch noch so langweilig ist, das ist jetzt deine Gelegenheit, in und mit Christus zu leben! Alles andere ist Illusion und Weglaufen vor sich selber. Das ist die Hoffart des Lebens.

Augenlust

DAS WILL ICH HABEN! Das war früher stärker vielleicht in gewisser Hinsicht als heute. Heute überwiegt bei den Menschen unserer Gesellschaft die Genußsucht. Früher überwog die Besitzgier: "Das alles ist mein! Ich schaffe zwar von morgens bis abends. Ich genieße wenig. Aber ich habe das beruhigende Gefühl: Das gehört mir." Dafür wird alles geopfert. Das war früher stärker, in der agrarischen Gesellschaft: HABEN! Wenn dann irgendwo zwei Quadratzentimeter verlorengingen, kostete das vier schlaflose Wochen.

Das ist die Augenlust, die Machtgier. "Hier das alles soll Dir gehören!" Das ist eine stärkere Versuchung: Besitzgier, Habgier, Herrschsucht! Das sind oft sehr aszetische Menschen, arbeitsame Menschen, Menschen starken Willens. Die kann man nicht so leicht rumkriegen. Die haben sich in der Gewalt! Die Versuchung des Genusses richtet nicht viel aus. Dem Sumpf bleiben die fern. Die haben den Kopf oben – aber sie wollen herrschen und besitzen! Das ist die feinere Art der Versuchung. Und gegen diese feinere Art der Versuchung bietet der Herr, der durchaus diesen majestätischen Stolz als Versuchung erleben mußte, Seine ganze Kraft auf: "Weiche Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, Deinen Gott, sollst Du allein anbeten."

Mit der Lupe gesehen zeigt sich da so mancher rechtschaffene, brave Bürger, der sich nie was zu Schulden kommen ließ, immer schön pünktlich das Gesetz befolgt hat – aber es ging ihm im Grunde nur darum: "Hier herrschen. Hier mich sichern. Hier besitzen. Hast du was, bist du was; hast du nichts, bist du nichts!" Das ist auch eine Weise, den Fürsten dieser Welt anzubeten. "Üb immer Treu und Redlichkeit bis ins kühle Grab": da hat so mancher arbeitsam und treu und in hartem Dienst und in vieler Entsagung den Teufel angebetet, weil's ihm letztlich nur ums Haben und ums Raffen ging; immer schön legal, nie mit der Polizei in Konflikt gekommen, aber dabei den Teufel angebetet, denn: "Hier, da will ich's haben und sehen!"

Jeder hat so seine spezifische Art der Versuchung. Jeder prüfe sich selbst. Und wir müssen uns alle immer erneut prüfen: "Geht es mir wirklich um die Anbetung des Vaters? Ihm gehören? Mit Christus leben, eisern, beständig, und Sein Wort aufnehmen und den Geist nähren lassen von Seiner Gegenwart und da alles hineinnehmen und dem alles unterordnen und alles nur akzeptieren unter dem Vorbehalt, Christus zu gehören?" Wer dies erkannt hat, wer sich dazu entschlossen hat und immer neu entschließt und sich vorantreiben läßt vom Geiste, der wird letztlich sehr, sehr froh, sehr, sehr glücklich – aber ich glaube es wird Zeit, daß wir anfangen, Du und ich! AMEN.

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