Schild der actio spes unica
actio spes unica Pfarrer Milch St. Athanasius Bildungswerk Aktuell

Niederschrift der Predigt von Pfarrer Milch

Fest der Beschneidung

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

zunächst einmal Ihnen allen ein gnadenreiches neues Jahr, ein Jahr, das Ihnen in Seiner Gnade die optimale Erfüllung Ihrer Wünsche gewährt und Sie ständig birgt in Seinem Erbarmen mit all Ihren Lieben. Sagen Sie es allen, sagen Sie es vor allem den kranken Lieben. Alles schließe ich in das heilige Opfer ein, Sie alle mit Ihren persönlichen Sorgen und Nöten, aber auch uns in unseren gemeinsamen Anliegen, Sorgen, Hoffnungen, Entschlüssen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch allen noch einmal herzlich danken für Ihre Standhaftigkeit, für Ihre Glaubensfestigkeit.

Ich sagte es gestern abend schon, daß wir zwei Mysterien zu verzeichnen haben. Einmal in einer Weise, wie sie keiner von uns geahnt hat, die Offenbarung dessen, was die Theologen nennen das mysterium iniquitatis, das Geheimnis der Bosheit, das der Herr ja vorausgesagt hat mit den Worten "Ärgernisse müssen kommen. Wehe dem freilich, durch den sie kommen!". Ärgernisse: das heißt Kompromittierungen der ewigen Wahrheit, das ins schlechte Licht, ins Zwielicht, in Verdacht gerät das ewig Gültige, das Gottgegebene, das Göttliche selbst. Er hat es unseren schwachen Händen anvertraut, unserer Gebrechlichkeit, unserer Unvollkommenheit. Aber daß in einer solchen Weise wie heute der Innenraum der Kirche selbst vom Antichristen beherrscht, entstellt wird und die Kirche in ihrem offiziellen Gebaren nicht mehr mit sich selber eins ist, dieses Ausmaß an Ärgernis – ein Geheimnis der Bosheit! – hatten wir alle nicht erwartet! Aber wir staunen davor.

Aber wir haben letztlich keinen Grund, uns zu verwundern. Da ist ja ein Unterschied zwischen Staunen und Verwunderung. Wir staunen vor dem Ausmaß dessen, was Satan erlaubt wird, aber wir haben keinen Grund uns zu wundern. "Wundert euch nicht. Dies alles muß geschehen." Wir hätten es nicht für möglich gehalten. Vor allem älteren Menschen fällt es unsagbar schwer, sich innerlich damit zurechtzufinden, die von jung an gewohnt waren: "Wenn ich die Kirche sehe, dann ist dies die Kirche. Und wenn ich den Papst sehe, dann ist er der Inbegriff, der ins Angesicht der Welt hinein gegebene Widerspruch und Anspruch 'Ich bin es, der da kommt im Namen des Herrn!' und der das vertritt, was über Zeit und Raum erhaben ist, unabhängig von allem Wechsel der Mode und der Kulturen und der Umstände 'Ich bin es, der den Auftrag hat, das Unwandelbare, das auf die Erde gekommen ist, das erschienen ist zu garantieren'". Wir alle waren von klein auf daran gewohnt, im Papst das zu sehen und auch in jedem Bischof und in jedem Priester. Wir waren es gewohnt, und wir waren in heiligem Sinne stolz darauf, daß im Gegensatz zu anderen Glaubensgemeinschaften, jeder Priester, jeder letzte Kaplan identisch ist mit der Kirche! Er mag persönlich noch so unvollkommen sein, er mag Ärgernis geben – aber sofern er als Priester wirkt, haben wir in ihm die Gegenwart des Katholischen, dieses ewigen Anspruches der Wahrheitsfülle.

Und dies ist nun seit beinahe zwanzig Jahren dahin, ist uns nicht mehr geschenkt. Für eine Weile ist Wolfszeit. Der Wolf ist losgelassen im Innenraum der Kirche. Es ist furchtbar, es ist kaum faßbar, aber wir müssen es zur Kenntnis nehmen. Das ist das eine Mysterium. —

Aber das andere Mysterium, das ist das, weshalb ich Ihnen allen Dank sage. Es ist selbstverständlich unmöglich und gar nicht zu erwarten, daß jeder von Ihnen in der Theologie tief bewandert ist. Dazu fehlen den meisten die Möglichkeiten und die Gelegenheiten und die Zeit usw. Aber mit einem sicheren, mit einem untrüglichen, katholischen Instinkt des Geistes unter Führung des Heiligen Geistes haben Sie gemerkt: "Was da jetzt gekommen ist, das ist unmöglich das Katholische, das kann es nicht sein!" Also bewahren wir, was wir vererbt haben und tragen wir durch diese düsteren Zeiten, durch diese Zeiten des Satans, der Blitze und der Finsternis hindurch das ewige Erbe. Bewahren wir es, auch wenn wir inoffiziell, illegal, jenseits der Legitimität zu sein scheinen, draußen vor der Tür, als Sekte verlacht von den Behäbigen, von denen, die ihre Gedankenlosigkeit mit dem großen Wort "Gehorsam" verbrämen. Das soll kein Vorwurf und kein Schimpfen sein. Das ist nur eine Feststellung. Die meisten wissen es selber nicht. Sie ahnen es vielleicht, aber sie wissen es nicht, wie sehr sie sich durch eine geistige Bequemlichkeit in den Sog des Bösen haben hineinreißen lassen.

Ihnen, meine lieben Brüder und Schwestern, ist es gegeben, ward es gegeben und soll es gegeben bleiben, standzuhalten und sich nicht irre machen zu lassen! Der gewohnte Raum der Kirche, unsere altvererbte, angestammte Kirche und was es auch sein mag, Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung, der äußere Gehorsam: All das ist uns wert genug, daß wir es preisgeben für die eine katholische Wahrheit! Alles Gewohnte opfern wir für das eine, was not tut, und lassen uns lieber verlachen und ausstoßen, als daß wir unser Erbe opfern!

Und wir lassen uns nicht irre machen dadurch, daß immer wieder von den Vertretern des Offiziellen, von den Bischöfen, die Marionetten sind, Quislinge in der Hand der eingebrochenen Ideologie, daß immer mal wieder Richtiges gesagt wird, daß jetzt gerade beim Besuch der höchsten Autorität immer wieder viele Richtigkeiten gesagt wurden. Lassen wir uns nicht blenden von diesen vielen Richtigkeiten! Umso schlimmer: Sie sind die Watte, in die das Gift verpackt ist! Diese Richtigkeiten sind die gleißende Fassade, hinter der sich das Verderben dann umso ungestörter ausbreiten kann! Wir brauchen diese Richtigkeiten nicht, außer der einen und einzigen, die gesagt werden muß vor dem Angesichte und gegen das Angesicht der Welt!

Und wenn diese Richtigkeiten einmal gesagt werden, dann ist die Wende da! Und die wird deshalb plötzlich kommen! Wie – das wissen wir nicht. Es sind noch keine Anzeichen da. Sie wird auch nicht langsam, sukzessive, so unterschwellig, so peu à peu kommen – das ist eine Illusion! –, sondern sie wird mit einem Schlage kommen dadurch, daß das eine, was not tut, gesagt wird von der Obersten Autorität. Und dieses eine, das not tut, heißt – jetzt sage ich die Sätze, die ins Angesicht der Welt gesagt werden müssen:

  • Es gibt keinen kollektiven Fortschritt der Menschheit!
  • Es gibt kein den Religionen und Konfessionen übergeordnetes Ziel der Menschheitsverbrüderung!
  • Wir als katholische Kirche sind kein Beitrag und haben keinen Beitrag zu leisten, sondern wir haben den Ausschlag zu geben!
  • Wir sind es, die dem je einzelnen die Chance geben, sich selbst zu finden in der Wahrheit, die wir vorstellen!
  • Außer dem, was wir vertreten, gibt es keinen Sinn des Lebens! Wir allein sind das Vorzeichen, hinter dem alles sich lohnt! Ohne uns lohnt sich nichts!
  • Es gibt kein gemeinsames Suchen nach der Wahrheit! Gott ist Mensch geworden, und wir sind Inbegriff und Garantie Seiner Menschwerdung! Wir sind die Wahrheit! Deshalb suchen wir mit niemandem mehr nach der Wahrheit, sondern stellen die Wahrheit vor! Sie kann gefunden werden, indem zu uns und nur zu uns "JA" gesagt werden wird! Wir allein sind die konkurrenzlose, unerreichte und unerreichbare Wahrheit! Alle außer uns haben bestenfalls einen Anteil an unserer Wahrheit! Es mag die eine oder andere Wahrheit geben außer uns: die Wahrheit und die Fülle aber sind wir!
  • Die Welt ist ein Patient. Die Welt ist krank und bedarf der Gegengifte. Die Zeit ist ein Patient und ist krank, bedarf der Gegengifte. Nur der Unzeitgemäße kann die Zeit heilen! Nur wer gegen die Welt gerichtet ist und nicht mit der Welt geht, kann die Welt heilen!
  • Wir, ich als Vertreter der katholischen Kirche, ich bin es, Petrus, der im Namen des Herrn kommt und euch allen sagt: Die Suche hat aufgehört! Es gibt keine Suche mehr nach der Wahrheit, sondern nur ein sich tiefes Versenken in der endgültig geschenkten Wahrheit! Das Endgültige steht nicht aus, sondern ist schon da!
  • Ihr alle rackert euch umsonst ab, es sei denn, ihr folgt uns und schließt euch uns an! Die Einheit ist nicht erst zu finden und zu erstellen! Die Einheit sind wir! Die katholische Kirche ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist die Einheit! Die Einheit kommt nur dadurch zustande, daß alle zu uns kommen! Wir haben uns mit niemandem mehr über die Wahrheit zu unterhalten, außer daß wir selber – unter uns – immer tiefer in unsere, von uns schon besessene Wahrheit einsteigen!
  • Außerhalb von uns gibt es keine Dialogpartner! Es gibt keinen Dialog mit der Welt! Wir haben auch keine ökumenischen Veranstaltungen zu treffen mit irgendwelchen außer uns bestehenden Gruppen, sondern wir haben sie nur aufzufordern und ihnen den Weg in kluger Weise leicht zu machen, zu uns zu kommen! Wäre es anders, so wären wir noch nicht erlöst!
  • Als der Herr zum Himmel auffuhr, hat Er nicht gesagt, "Wartet, bis im zwanzigsten Jahrhundert ihr euch zusammenrauft mit anderen Gemeinschaften; dann erst wird die Wahrheit gefunden", sondern als Er zum Himmel auffuhr, hat Er uns die ganze Wahrheit schon als Erbe hinterlassen! Und wir vertreten dieses Erbe!

Sehen Sie, diese Sätze müßten gesagt werden! Wenn diese Sätze nicht gesagt werden, können tausend Richtigkeiten vom Zölibat, von der Ehe, von der Unauflöslichkeit der Ehe, vom Festhalten an den Dogmen – das ist dann zu allgemein gesagt, viel zu allgemein – und von der Tradition und von der Moral und was weiß ich nicht alles gesagt werden und daß man nicht auf Probe lieben und leben kann: Alle diese Richtigkeiten nützen gar nichts, wenn nicht zuvor der absolute Felsenanspruch erhoben wird!

Daran liegt's, und nur deshalb sind wir katholisch, und nur das ist unser Glück, weil wir im Gegensatz zur allgemeinen Meinung der "Weisen" und "Klugen", der "humanistisch Gebildeten" nicht etwa naserümpfende Distanz haben zum Wahrheitsanspruch, sondern unter dem Haß und dem Gelächter der Welt den Mut haben, den naiven Mut, den Absolutheitsanspruch zu vertreten: Das ist es! Darauf warten wir!

Und solange das, wie ich es eben mit all den Sätzen gesagt habe, nicht von offizieller Stelle gesagt wird, solange ist keine Wende! Nur wenn dies von offizieller Seite verkündet wird, dann wird die Wende sein, und dann wird die katholische Kirche wieder prinzipiell in ihrem Erscheinungsbild mit sich identisch sein! Auf diesen Augenblick warten wir!

Das gibt natürlich dann einen Sturm der Entrüstung, einen Massenabfall all derer, die jetzt das Sagen haben. Die Kirche wird sehr zusammenschrumpfen. Aber wir werden uns dann freuen! Denn die so gesundgeschrumpfte Kirche wird dann wieder die Kirche sein und mächtig als Keim und Ausstrahlungspunkt einer ungeheuren Missionierung ein Magnet, um die Besten anzuziehen. Das ist das, was wir erwarten! Das ist die präzise Auskunft, die ich zu machen habe. Und das Wunder ist es, das Geheimnis des Heiligen Geistes, daß Sie standhalten. Sie hier sind in Ihrer Treue die Garanten des großen Tages! Sie sind die Inhaber der Zukunft und des Endsieges! Das ist es, was ich am Anfang dieses Jahres Ihnen als tröstliche Verheißung mit absoluter Sicherheit mitteile.

Wir feiern die Beschneidung. Die heilige Schrift kennt keine Prüderie. Die Verdächtigung des Geschlechtlichen hat zur Folge gehabt – die Verdächtigung, die aus einer Irrlehre kommt, der Irrlehre der Manichäer; darüber kann ich mich jetzt nicht auslassen – die Verdächtigung des Geschlechtlichen hat zur obszönen Lust geführt, das Geschlechtliche herabzuwürdigen, mit gemeinen, schmutzigen Ausdrücken zu versehen. Aber wir müssen bedenken, daß der Mensch sich entfaltet im Spannungsraum zwischen Hirn und Geschlecht. Dort ereignet und entfaltet sich das Geistige. Beschneidung bedeutet, daß wir unsere Persönlichkeit im Zeichen des Vorbehaltes fassen. Wir können uns nur entfalten, wenn wir unter dem Vorbehalt Seiner Wahrheit leben! Und darum brauchen wir nicht mehr körperlich beschnitten zu werden, sondern sind Beschnittene des Geistes, d.h. wir sind offen, wir halten unser Dasein offen für das Eine, was not tut, und empfangen es. Und für dieses Eine geben wir gerne tausend Gewohnheiten und liebgewordene Stätten, Orte, Räume, Tätigkeiten auf, gerade weil sich das Verderben oft im glitzernden, scheinkatholischen, konservativen Gebaren darstellt!

Wir wollen uns nicht täuschen lassen. Es geht uns nicht um diese oder jene Konservativität, sondern um die eine katholische Wahrheit mit ihrem unabdingbaren Anspruch! Und Du und Du und Du und ich, wir haben ein solch aufgewertetes Dasein, daß wir die Hüter, Wahrer und Träger dieses ewigen, herrlichen Anspruches sind!

Und um dieses Mysteriums des Heiligen Geistes willen gratuliere ich einem jeden von Ihnen, spreche im Namen des Herrn den Dank aus und garantiere Ihnen eine Zukunft, die im Zeichen dessen steht, was der Psalmist sagt: Sortes ceciderunt mihi in amoena – "Die Lose sind mir geworfen ins Liebliche und Glückbringende". AMEN.

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