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Niederschrift der Predigt von Pfarrer Milch

Vorabendmesse zum 1. Advent 1985

Meine lieben Brüder und Schwestern,

 

Meine lieben Brüder und Schwestern,

wir werden in einer Woche – das werde ich dann auch in der Gottesdienstordnung vermerken – besonders des achtzigsten Geburtstages unseres Erzbischofs gedenken und die Messe in seinem Anliegen halten, alle drei Messen in der propria intentio sacerdotis, d.h. in der eigenen Intention des Priesters. Der Priester darf nach dem Kirchenrecht außer der veröffentlichten Intention, außer den veröffentlichten Anliegen, auch noch ein persönliches Anliegen haben. Das wird in allen drei Messen das Anliegen des Erzbischofs sein, seiner Sendung und seinem göttlich gegebenen, gottmenschlichen Anspruch gemäß.

Ich möchte Sie ganz herzlich bitten, wenn es irgend möglich ist, morgen nach Mainz zu kommen. Es wird außerordentlich wichtig sein, denn wir werden uns geistig straffen und formieren müssen. Wir werden aufs Ganze gehen müssen und in das Zentrum unseres Standpunktes, hell und wach, bewußt.

"Katholisch": das ist das Kennzeichen des festen Standpunktes! "Gebt mir den einen Punkt, von dem aus ich die Welt aus den Angeln heben kann", sagt der weise Archimedes. Dieser eine Punkt ist die katholische Wahrheit. In ihr müssen wir feststehen, mag die Welt rundum gegen uns sein, mag alles gegen uns sein! Wir fragen nicht nach Rang, nach Titel, nach Masse, nach Zahl, nach Macht. All das ist uns vollkommen egal! Wir fragen nur nach der Wahrheit!

An der Wahrheit wird gemessen jegliche Macht, jeglicher Rang, jeglicher Anspruch. An der einzigen Wahrheit wird einzig gemessen auch Recht und Pflicht des Gehorsams, was übrigens zusammenfällt. Der Gehorsam ist in der Kirche niemals ins Belieben gestellt. Entweder ist er geboten oder verboten, eins von beiden! Aber der Gehorsam ist niemals etwas Absolutes! Es gibt keinen absoluten Gehorsam! Es gibt nur die absolute Wahrheit!

Und ihr allein gilt die Nachfolge, die Identität, die Einswerdung, – nur der Wahrheit! –, sonst rundherum nichts; und alles in ihr, um ihretwegen, von ihr aus, zu ihr hin. Das ist der feste Standpunkt! Und wenn die Welt vom Teufel wäre, und wenn alles in Übermacht gegen uns aufstünde, und wenn noch so viel von Prunk und Pomp, von Einfluß sich gegen uns erheben wollte und wenn ringsum Feige in Fülle niederfallen sollten: nur dies Eine und Einzige gilt!

Kann der katholische Gläubige diese eine Wahrheit erkennen? – Ja! Es ist die heilige Pflicht des Priesters, den Gläubigen voll zu unterrichten, so daß er imstande ist – das ist das Ziel der Unterweisung! –, so daß der Gläubige imstande ist, einmal nachprüfen zu können, ob der, der ihn zuerst belehrt hat, auch bei seiner ersten Liebe geblieben ist! Dieses Urteil hat der Gläubige, muß er haben! Es ist vollkommen falsch zu sagen, das Urteil, was "katholisch" oder "nicht katholisch" ist, obliegt einzig den Bischöfen. Das ist so ein berühmtes Argument, übrigens der Progressisten, ein ausgesprochen progressistisches Argument: "Nicht der einfache Gläubige hat zu entscheiden und kann entscheiden, was "katholisch" ist und was nicht, sondern nur der Bischof."

Diese Aussage ist ein vollkommener Unsinn! Der Bischof kann es mit Rechtsfolgen unterscheiden. Das kann der Gläubige nicht. Der kann an seine Erkenntnis und Wahrnehmung keine Rechtsfolgen knüpfen. Er kann keine Strafen verhängen. Er kann keine Exkommunikation aussprechen. Das kann der Gläubige nicht. Aber er kann sehr wohl wissen, was "katholisch" ist! Das dürfte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Und wenn er weiß, was katholisch ist, dann hängt damit unlösbar und logisch notwendig zusammen, daß er auch weiß, was "nicht katholisch" ist! Das wird morgen ganz stark behandelt werden, sehr konkret, was "katholisch" ist. Dann sehr konkret, sehr wichtig!

Es ist eine so furchtbare Katastrophe in die Kirche eingebrochen. Was heißt "in die Kirche"? – "In die Kirche" als solche kann keine Katastrophe einbrechen, sondern ich sage ja immer "in den offiziellen Raum der Kirche". Das ist ein sauberer Begriff. Unsauber ist zum Beispiel der Begriff "Amtskirche". Das wird immer gebraucht: "die Amtskirche". Das ist falsch! Es gibt nur eine Kirche! Und diese Kirche steht und ist und ist wahr und bleibt ewig, unzerstörbar! Sie kann auch nicht zerstört werden. Nur der offizielle Raum, die Offizialität, die kann besetzt werden, vorübergehend freilich nur. Und das geschieht. Und es ist geschehen – schlimmer als beim Arianismus! – in einem Ausmaß, der einmalig ist in der Kirchengeschichte!

Man ist in einer solchen Situation verpflichtet, sich zu fragen, "wie konnte so etwas kommen?" Das ist doch ganz klar, daß man das fragt. Und dann darf man nicht nur den Urheber anvisieren, der das ausgelöst hat, der das gemacht hat. Die kennen wir ja, die Urheber. Das sind Freimaurer und ihre Marionetten. Unter den Marionetten ist vor allem eine Großzahl von Professoren – eine riesige Zahl von Professoren! – und auch eine stattliche Zahl von verwirrten und verirrten Bischöfen. Und ihre Helfershelfer sind die Feigen, Herzensfeigen, Denkfaulen, Gemütlichen! Das sind die anderen! Und davon wimmelt es nur so.

Ich hatte mal gemeint, die Genußsucht sei das größte Laster in der Welt. Ich bin längst dahintergekommen, daß die Feigheit das größte Laster in der Welt ist, vor allem, wenn sie sich das Etikett "Gehorsam" aufklebt! Die Feigheit: das ist das schlimmste aller Laster! Jetzt muß man sich nicht nur fragen: "Wer sind die Urheber?", sondern man muß sich selbstverständlich auch fragen: "Was waren die Bedingungen, die es den Urhebern, den Zerstörern überhaupt ermöglichte zu kommen; wie konnten sie einbrechen?", denn die Zerstörer waren schon immer auf dem Sprung, die warteten schon immer darauf. "Wie kam es, daß sie sich so formieren und so einbrechen konnten?" Das muß man sich eben überlegen. "Warum? Was wurde falsch gemacht in unseren Reihen, daß sie so kommen konnten?"

Na ja, und da ist man sehr schnell auf der Spur: die mangelnde Unterweisung der Gläubigen, die Abfertigung, die Abspeisung der Gläubigen – mit Rohrstock in der Schule und Einbleuen auswendig zu lernender Sätze! "Da waren wir wohl unterrichtet", wie es hieß, "im Glauben." Sie waren überhaupt nicht unterrichtet! Sie haben was eingebleut bekommen und hingen und hängen weithin an Äußerlichkeiten. Und je äußerlicher die Äußerlichkeiten sind, im Maße ihrer Äußerlichkeit, desto fanatischer diejenigen, die daran hängen; je oberflächlicher, desto verbissener die Verteidigung. Das ist zum Beispiel eine Folge mangelnder Unterweisung, mangelnder Tiefe!

Ich höre heute noch den großen Prälaten Wolker, ein großer Name in der katholischen Jugendbewegung der zwanziger, dreißiger bis in die fünfziger Jahre hinein. Ich höre ihn noch, wie er bei uns im Seminar sich beklagte über die Armseligkeit der Verkündigung. Er hatte wahrlich recht gehabt. Diese Unterernährung, diese geistige Unterernährung, die muß schleunigst aufhören! Man kann nicht einfach so weitermachen! Man kann nicht weitermachen dort, wo man 1958 aufgehört hat! Das ist vollkommen unmöglich! Man muß einen völlig neuen Stil anfangen. Man muß wieder zurückkehren zu der Einheit von Theologie und Seelsorge, und man darf "Einfachheit" nicht mit "Primitivität" verwechseln!

Der einfache Mensch, das sage ich ja so oft, der einfache Mensch ist etwas Wunderbares. Der staunende, geweitete, geöffnete Mensch ist etwas Herrliches. Ob er Straßenkehrer ist oder was anderes, ist ganz egal. Das ist etwas Wunderbares, der einfache Mensch. – Aber was ganz, ganz anderes ist der primitive Mensch! Und das wird immer wieder verwechselt.

"Primitivität" hat ebensowenig Raum und Recht in der Kirche wie der Kitsch! Da wird sehr oft gesagt: "Ja für den einfachen Menschen ist das doch schön und gut. Er freut sich doch so an diesen schönen Klischeebildchen. Gönnen wir doch dem einfachen Menschen diesen Kitsch." – Nein, das tun wir eben nicht! Das sind auch keine einfachen Menschen, sondern primitive, verbogene, verdorbene, mit einem falschen Geschmack versehene. Man hat ihnen einen falschen Geschmack eingegeben. Weg damit! Das hat kein Recht! Das darf nicht sein!

In der Antike, im frühen Mittelalter, im hohen Mittelalter, auch in der beginnenden Neuzeit gab es doch keinen Kitsch in der Kirche. Gehen Sie mal in den Osten, in den Raum der griechisch-russischen Orthodoxie: das sind echte Ikonen, das ist kein Kitsch! Hier zum Beispiel finden Sie keinen Kitsch, im ganzen Kirchenraum nicht! Und dann zu sagen, "ja für den einfachen Menschen ist das gut" – NEIN! Es ist verboten!

Und es gibt Bilder, die sind objektiv, eindeutig – und das ist mit keinem Silbchen übertrieben – eindeutig gotteslästerlich! Ich denke vor allem an ein Jesusbild: das ist eine glatte, unverzeihliche, unentschuldbare Gotteslästerung – ein sehr verbreitetes Bild: ein Schmachtjüngling mit einem Gesicht, das einem das beste Frühstück verderben kann – unmögliches Bild, glatte Gotteslästerung! Wer einigermaßen Geschmack hat und Tiefgang und sieht so ein Bild, für den ist die Sache gelaufen. Bei dem können Sie mit Engelszungen reden, der wird nie mehr kommen. So etwas darf es nicht geben!

Das, was ich jetzt so sage, das ist mehr so ein Andeuten. Morgen wird aus dem Spaziergang ein Marsch. Und da werde ich über alle diese Dinge ganz klar sprechen und die Folgerungen ziehen. Ich werde gegen den Additismus – eine gewaltige Irrlehre! – und gegen den Kollektivismus zu Felde ziehen. Beides sind Inbegriffe des Antikatholischen! Leider begrenzt sich, beschränkt sich das Antikatholische nicht auf die Progressisten – leider, Gott sei es geklagt!

Also: Ich bitte Sie, kommen Sie morgen. Es ist außerordentlich wichtig, ganz außerordentlich wichtig, damit wir uns formieren. Und es ist ganz wichtig, daß eine echte geistige Formation entsteht, ein Sich-Aufrecken, ein Aufgewecktwerden. Wir fragen nicht nach der Masse, wir fragen auch nicht nach der Macht, sondern es gilt – und jetzt bin ich wieder am Anfang meiner Ausführungen – einzig und allein die Wahrheit und sonst gar nichts! Und mit der Wahrheit ist dann freilich Autorität gegeben, die Notwendigkeit des Gehorsams – aber eben nur und ausschließlich in diesem erkennbaren Rahmen! Nur so entsteht dann wahre Demut und wahrer Gehorsam. Wahre Demut und wahrer Gehorsam kennzeichnen die Persönlichkeit, den Mann – "Männer, stolz vor Königsthronen". "Stolz" ist ein sehr schillerndes und unklares Wort. Es gibt den falschen, hochmütigen Stolz. Das ist ein Laster, Urlaster! Es gibt aber auch den guten, geforderten, heiligen Stolz. "Männer, stolz vor Königsthronen", das Angesicht-in-Angesicht, das "Nein-Sagen-Können".

"Demut" hat mit gebrochenem Rückgrat rundherum nichts zu tun! Christus will keine geschädigten Kreaturen um Sich herum, die kriechen und sich wenden und sich winden, und ihr Mäntelchen wenden und nach dem Winde drehen, und die immer das gerade annehmen, was momentan günstig und opportun ist! Dieses Nachlaufen, immer mit, immer dabei: daraus entstand die Katastrophe in der Kirche, aus dieser erbärmlichen, armseligen Haltung von Sklavenseelen, von Entmannten! Es wimmelt von Entmannten! Und eine geistige Entmannung wird betrieben und ein Wettkriechen veranstaltet in der Arena der Armseligkeit, daß es einem schlecht wird. Das hat mit "Demut" rundherum nichts zu tun!

Hochgereckte Hälse, gerader Blick, fester Standpunkt, JA und NEIN: diese Kraft kennzeichnet eine Persönlichkeit! Und Christus will keine Sklaven, sondern Freunde, starke Seelen, die auch gegen alle Welt und gegen alle Windrichtungen und Stürme ihr "contra dico – ich widerspreche" sagen können. Daher kommen wir morgen zusammen. Ich bitte Sie herzlich. AMEN.

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Wahrheit
   
Mündigkeit
   
Überforderung
   
Gehorsam
   
Kitsch
   
Besetzter Raum
   
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